1117 - Das Gedankenmonster
Janhart dieses Detail der System-Durchortung ausgelassen, aber als Kommandant der Kogge JUSTIN KEIDAR mußte er seiner Verantwortung für die Sicherheit des Schiffes und des interplanetarischen Raumes im Solsystem gerecht werden - und dazu gehörte nun einmal die ständige Ortungserfassung des gesamten Systems.
Zur Zeit durchquerten mehr als dreihundert Fernraumschiffe das Solsystem, entweder auf dem Weg zum Mars oder zur Erde oder von dort fort, um mit ihrer Fracht durch den Hyperraum zu ihren viele Lichtjahre entfernten Zielplaneten zu reisen. Daneben gab es noch zahlreiche Schiffe, die innerhalb des Solsystems verkehrten, ganz zu schweigen von den Fähren, die ständig zwischen Orbitalstationen und Planeten sowie zwischen den Planeten und ihren Monden pendelten. Nur überlichtschnell arbeitende Taster und Computer vermochten unter solchen Umständen Kollisionen zu verhindern. Der Mensch, der über ihnen stand, übte zwar die Kommandofunktion aus, beschränkte sich aber aus leicht einsehbaren Gründen darauf, sich den Gesamtüberblick vermitteln zu lassen.
Janhart zuckte kaum merklich zusammen, als Felia Trugohr, seine Astrogatorin, mit einem Weinkrampf an ihren Platz zusammenbrach. Auch sie war ein Opfer des mißlungenen Versuchs, eine Projektionserde und einen Projektionsmond zu schaffen.
Der Kommandant winkte einen der drei Medoroboter, die er vorsichtshalber in die Hauptzentrale beordert hatte, zu Felia. Der große eiförmige Robot fuhr eine Trage aus, bettete die Astrogatorin darauf und beruhigte sie mit einer Injektion.
Janhart Nottel fragte sich, ob er richtig handelte. Sein Mitgefühl wollte ihn dazu verleiten, sich selbst um Felia zu kümmern. Aber er hatte nach seiner gestrigen Meldung über die psychischen Krankheitssymptome der Besatzungsmitglieder, die aktiv am Projekt Zweiterde beteiligt gewesen waren, vom Psychologischen Dienst des HQ-Hanse den Rat erhalten, sich bei eventuellen Zusammenbrüchen der direkten mitmenschlichen Zuwendung zu enthalten. Die „paranormale Disharmonie", wie die Psychologen der Kosmischen Hanse die seltsame „Krankheit" inzwischen genannt hatten, sollte auf keinen Fall dramatisiert werden.
Ohne etwas zu sagen, nahm Karim Jondrees, der Bordingenieur, den Platz Felias ein.
Nur seine flackernden Augen verrieten, daß er sich davor fürchtete, ebenfalls zusammenzubrechen.
„Metagrav-Vortex bildet sich programmgemäß aus", meldete Tom Neffers, der Erste Pilot.
Janhart atmete verstohlen auf.
Wenn wir erst im Hyperraum sind, sollte eigentlich die Wechselwirkung zwischen den Erkrankten und der Plasmawolke aufhören! dachte er fast inbrünstig.
Laut sagte er: „Wie lange noch, Tom?"
„Noch zweieinhalb Minuten", antwortete Neffers.
Die JUSTIN KEIDAR würde nach einer Hyperraumetappe von siebzig Minuten Dauer in den Normalraum zurückfallen, sich orientieren und eventuelle Kursabweichungen bei der Endberechnung der nächsten Hyperflugprogrammierung berücksichtigen. Dann würde er dem HQ-Hanse über Hyperkom mitteilen können, wie sich die Befallenen im Hyperraum verhalten hatten. Bisher lagen noch keine Erfahrungsberichte vor.
„Metagrav-Vortex steht und ist programmiert", meldete Tom Neffers.
Janhart war sofort wieder voll da.
„Freigabe!" erwiderte er.
„Endlich!" entfuhr es Kuban Roolv, dem Cheffunker.
Janhart blickte hinüber und sah, daß die Augen Kubans eigentümlich glitzerten. Auch er sehnte sich offenbar danach, möglichst viel „Abstand" zwischen sich und die Plasmawolke zu bringen.
Das Ortungsbild des Solsystems auf dem Rundsichtschirm erlosch. Das war eigentlich der „dramatischste" Effekt, der den Durchgang eines Raumschiffs durch das Pseudo-Black-Hole des Metagrav-Vortex anzeigte.
Der Kommandant überzeugte sich mit einem Blick auf die Kontrollen davon, daß die Grigoroff-Schicht stand. Sie schirmte das Schiff so vollständig gegen das fünfdimensionale Kontinuum des Hyperraums ab, daß für es die vertrauten Gesetzmäßigkeiten des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums galten.
„Beschleunigung über Überlichtbereich erfolgt programmgemäß", sagte Tom.
Kuban Roolv stammelte etwas Unverständliches. Seine Augen schienen ins Leere zu blicken.
Der Interkommelder summte leise.
Janhart aktivierte das Gerät und sah auf dem Bildschirm das Abbild von Scilla Drigurs Gesicht. Es war totenbleich, und die Augen glühten darin gleich glühenden Kohlen.
„Du schläfst nicht?" erkundigte sich Janhart.
Scilla bewegte die Lippen, brachte aber
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