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112 - Monster im Prater

112 - Monster im Prater

Titel: 112 - Monster im Prater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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schwere Zeit hinwegzukommen. Auch andere denken
so. Ich habe Karel von der Versammlung erzählt, die Nacht für Nacht zwischen
zwölf und drei - tief unter der Erde in einer nicht benutzten Pestgrube
stattfindet. Hier treffen sich diejenigen, die glauben, durch Anrufung des
Teufels, durch Beschwörungen und widerliche Rituale den Pestodem fernhalten zu
können. Wieder ist eine solche Nacht angebrochen. Ich habe mich schon früh auf
den Weg gemacht und bin eine der Ersten, die in den Schacht steigt. Lange
schmale Leitern stehen bereit, um jeden einzulassen, der kommen will. Und viele
sind gekommen. Wir ziehen uns alle in den untersten, den niedrigsten Raum
zurück. Wir haben unsere Gesichter mit Kapuzen bedeckt oder mit Schleiern
verhüllt. Damit die Pest uns nicht erkennt... Ich warte auf Karel. Diese Nacht
will er kommen. Ich weiß - er ist in der Stadt unterwegs. Bald muss er da sein.
Aber - ich sehe ihn nie wieder. In der Decke über uns ist ein Knirschen zu
hören. Das Gewölbe gibt nach, und Tonnen von Gestein regnen auf uns herab. Da
gibt’s kein Entrinnen. Alle Versammlungsteilnehmer der Satansmesse werden bei
lebendigem Leib begraben. Ein Strafgericht Gottes? Strafe für unser Verhalten?
Oder steckt der Teufel dahinter? Hat er uns in die Falle gelockt, uns mit
falschen Hoffnungen erfüllt und ist nun angetreten, unsere Seelen
entgegenzunehmen? Seltsam, dass mein Grauen und meine Sehnsucht bleiben, auch
wenn ich tot bin. Ich muss erkennen, dass meine Seele nach wie vor existiert,
dass die Kraft der Liebe zu Karel meine ewige Verdammnis offenbar verhindert
hat. Ich sehne mich nach ihm, ich will zu ihm eilen und ihm alles berichten,
aber - ich kann es nicht mehr. Ich bin gefangen in dem fensterlosen Verlies, in
der unheimlichen Grube, in der ewige Finsternis herrscht. Was geschieht noch in
dieser Nacht? Ich spüre, dass ich Karel ganz nahe bin, und plötzlich habe ich
das Gefühl neben ihm zu stehen und ihn anzusehen. Er läuft durch die Nacht und
sucht den Einstieg in das unterirdische Verlies, das ich ihm angegeben habe. Er
findet es. Der Zugang ist verschüttet. Mit bloßen Fingern fängt Karel an zu
graben. Es ist sinnlos, was er in ohnmächtigem Zorn, Verzweiflung und
Ratlosigkeit tut. Er kann Schutt beiseite räumen, ebenso einige Steine. Die
Fingernägel brechen ihm ab, seine Finger sind nur noch rohes Fleisch. Unter
Schmerzen arbeitet er weiter bis zur Erschöpfung. Er hat nicht mal einen halben
Meter freigelegt und noch mindestens fünf und dann noch mal fünf Meter Steine
und Schutt liegen vor ihm. Zwei Stunden später gibt er auf. Er irrt durch die
nächtlichen Straßen, benimmt sich wie ein Wahnsinniger und schreit seinen
Schmerz in die Nacht hinaus. Dann bricht er zusammen. Vor Schmerz, Wut und
Erschöpfung. So findet man ihn im Morgengrauen. Die Pestleichenbestatter, die
ihre Runden ziehen, um die Toten zu sammeln und in die Gruben zu werfen, stoßen
auf ihn.
    Sie erkennen
nicht, dass da einer liegt, der vor Schwäche nur ohnmächtig geworden ist. Sie
glauben, es ist ein Toter wie alle anderen auch, schleifen ihn zur nächsten Grube und werfen ihn hinein. Wenig später folgen echte
Pestleichen. Karel wird unter ihnen begraben. Lebendig...
     
    ●
     
    Ohne
abzusetzen, hafte Stefanie ihre Geschichte erzählt, die Geschichte eines
bewegten und unglücklichen Lebens inmitten einer Zeit, die zu den schwersten
zählte, die Wien - außer der Türkenbelagerung - durchgemacht hatte. Es war
viel, was der PSA-Agent aus dem Mund der von Stefanie beseelten Leiche gehört
hatte. Aber es war noch nicht alles. Stefanie sagte ihm auch noch den Rest.
    „Das alles
erfasste ich geistig, ohne eingreifen, oder sonst etwas für ihn tun zu können.
Karel starb zwischen den Pestleichen, und ich konnte mein Gelübde nicht
einlösen, in der Stunde seines Todes bei ihm zu sein. Ich war und blieb
gefangen in der Tiefe des Versammlungsraumes. Jenseits des Schachtes, vor dem
Sie jetzt stehen, liegen die vermoderten Gerippe derer, die sich von der Hölle
Hilfe versprachen. Auch das, was von meiner leiblichen Hülle übrig geblieben
ist, liegt noch dort. Aber es darf da nicht liegen bleiben. Es muss dorthin
gebracht werden, wo Karels Knochen vermodern. Dann kann ich mein Gelübde
einlösen, kann meine Seele Ruhe finden, ln den vergangenen drei Jahrhunderten
habe ich schon einige Male auf mich aufmerksam gemacht. Insgesamt viermal kam es
zu Situationen, die mich hoffen ließen, den Kreis endgültig und für immer zu
schließen.

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