1123 - Der Terror beginnt
werden, daß ich mich in einem Bereich aufhielt, den ich im Traum zum erstenmal gesehen hatte. Aber ich war kein Mensch, der eine Kettensäge bei sich trug und wollte auch kein Blutbad hinterlassen, sondern diesen verfluchten Fall endlich aufklären, auch schon um meiner selbst willen.
Daß mein Blick zu Boden glitt, war selbstverständlich, denn ich suchte nach Spuren, die von der schrecklichen Tat hinterlassen worden waren. Es gab nichts, zumindest hier nicht, obwohl ich mich im größten Raum der Hütte befand.
Es war der Wohnraum mit den Sitzmöbeln, dem Tisch, dem Ofen, den beiden Regalen und den Kissen, die überall verteilt lagen. Aber alles ohne eine Spur von Leben. Diese Einrichtung hätte ebensogut im Schaufenster eines Möbelhauses stehen können.
Durch die Vordertür war ich direkt in den Raum hineingekommen. Er war nicht so groß wie die Hütte selbst. Es mußte hier noch weitere Zimmer geben.
Ich ging um die Couch herum und bemühte mich, keine Geräusche zu verursachen. An diesem Platz waren zwei Menschen auf grauenvolle Art und Weise ums Leben gekommen, aber es gab keine Spuren mehr.
Ich irrte mich.
An den Wänden sah ich noch die Flecken, als hätte dort jemand Tinte hingeschleudert.
Ich ging näher und sah es an der rostbraunen Farbe: das Blut der Opfer.
Trotz dieses Anblicks war ich irgendwie auch zufrieden. Ich hatte das Blut entdeckt, und wieder fügte sich ein Teilstück in das Mosaik meines Alptraums.
Weitere Spuren, die auf das schreckliche Verbrechen hinwiesen, sah ich nicht. Aber es gab zwei weitere Türen, die sich an der gegenüberliegenden Wand abzeichneten. Dazwischen stand ein schmales Regal mit leeren Brettern.
Überhaupt war hier nichts Persönliches zu finden. Diese Hütte sah aus, als wäre sie nie besucht oder bewohnt worden. Zwei Türen. Die rechte oder die linke.
Ich entschied mich für die linke der beiden. Darauf war ich fast schon zugegangen.
Die schmale Klinke ließ sich leicht bewegen, ebenso wie die Tür, die ich nach innen drücken mußte, um den Raum dahinter zu sehen.
Es war ein Schlafzimmer.
Ein großes Bett. Ein grob gewebter Teppich auf dem Holzboden, ein Stuhl mit hoher Lehne, das war alles.
Keine Spuren eines Kampfes. Auf der glatt gezogenen Bettdecke lag eine dünne Staubschicht, und sie war auch in den anderen Teilen der Hütte präsent.
Ich zog die Tür wieder zu. Im Schlafzimmer hatte ich keine neuen Informationen erhalten. Ich war nicht einmal mehr sicher, ob dieser Trip in die Einöde nicht eine Fehlinvestition meiner Zeit gewesen war. Bisher hatte mich nichts weitergebracht.
Die zweite Tür. Sie war identisch mit der ersten. Ich öffnete auch sie und konnte zunächst nicht viel sehen, weil der Raum dahinter kleiner war und als Bad diente.
Es gab eine Dusche. Ich sah ein Waschbecken. Beides befand sich links von mir an der Wand.
Die Wand, die der Tür gegenüberlag, war frei. Oder? Ich schaute genauer hin und wunderte mich schon darüber, daß die Wand sogar mit recht hellen Fliesen gekachelt war. Es war nicht heller geworden, obwohl ein Fenster vorhanden war. Davor hing jedoch ein Vorhang und filterte das nicht mehr sehr helle Licht.
Ich hatte einfach das Gefühl, in diesem Raum etwas Besonderes zu entdecken. Bisher hatte ich kein Licht gebraucht, aber ich hatte Schalter gesehen. Sicherlich wurde die Hütte von einem Aggregat mit Strom versorgt.
Den schmalen Schalter fand ich rechts von mir. Ich ließ meine flache Hand darüber hinweggleiten und schaute gegen die Decke, wo eine Lampe ein mehr als schlechtes Licht abgab.
Aber es reichte aus.
Mich interessierte nicht mehr die Dusche, auch nicht das Waschbecken, denn ich starrte nur auf die Wand mit den hellen Fliesen. Vor ihr lag und dabei noch halb auf den linken angewinkelten Arm abgestützt eine Frau, aus deren Mund ein dünner Blutfaden rann.
Das Licht enthüllte noch mehr. Zahlreiche Käfer und Spinnen, die an der Wand entlangkrabbelten und ihren Weg auch bis hin zu dieser leblos wirkenden Person gefunden hatten.
Bewußtlose, verletzte oder tote Menschen hatte ich schon oft genug gesehen. In diesem Fall jedoch war die Frau eine Person, die ich kannte.
Nora Thorn!
***
Ich dachte nichts, ich atmete nicht, ich sagte nichts. Ich stand einfach nur auf dem Fleck und versuchte, meine durch den Kopf wirbelnden Gedanken in eine Reihenfolge zu ordnen, was mir jedoch nicht gelang. Tatsache war, daß Nora Thorn nur zwei Schritte entfernt von mir lag, einen Bademantel trug und aussah, als
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