1123 - Der Terror beginnt
mir. Sie waren etwas zerknickt, aber das machte nichts. Einen Kugelschreiber drückte ich Bull ebenfalls in die Hand, doch er schrieb oder malte noch nicht sofort, sondern dachte zunächst mal nach.
Als Ausgangspunkt nahm er den Ortsrand von Lauder. Sehr genau und vor sich hinmurmelnd machte er sich an die Arbeit. Ich schaute ihm zu und war froh, daß der Zettel etwas größer war als normal.
Es dauerte beinahe fünf Minuten, dann hatte er seine Beschreibung fertig.
»So, John, kannst du mal schauen?«
Er drehte die Zeichnung herum und begann mit seiner Erklärung. Ich hörte genau zu, stellte hin und wieder einige Zwischenfragen, erhielt auch Antworten, bevor ich die wichtigste Frage stellte, die mich beschäftigte.
»Wie viele Kilometer sind es ungefähr?«
»Das kann man schlecht sagen. Zwischen fünfzehn und zwanzig würde ich sagen.«
Ich steckte den Zettel wieder ein. »Kennst du dieses Haus auf dem Steg denn?«
»Ich war einmal dort.«
»Beruflich?«
Sein Blick erhielt etwas Starres. »Ja, das muß ich leider gestehen.«
Der Klang der Stimme gefiel mir nicht. »Wann ist denn dort was passiert?«
Er hob die Schultern. »Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, oder doch, ach, ich weiß es selbst nicht, aber man hat dort die Leichen eines Paars gefunden.«
»Selbstmord?«
»Nein, John, Mord.« Er sprach weiter und senkte dabei die Stimme. Er schaute mich auch nicht an, sein Blick glitt an mir vorbei. »Es war eine Untat, die uns alle hier sehr berührt hat. Die beiden sind auf eine fürchterliche Art und Weise gestorben. Der Arzt hat von einer Säge gesprochen. Du kannst dir ja vorstellen, wie man sie dort gefunden hat. Ja, das habe ich dir sagen wollen.«
Ich war blaß geworden. Um das zu erkennen, brauchte ich nicht erst in einen Spiegel zu schauen.
»Hat man den Mörder gefunden?«
»Nein, es gab nicht die geringste Spur.«
»Wann geschah die Tat?«
»Vor rund drei Wochen.«
»Wer hat sich darum gekümmert?«
»Die Kollegen aus Edinburgh, aber auch sie sind nicht weitergekommen. Es gab keine Zeugen, keine Hinweise. Das war ein Schlag ins Leere. Und jetzt kommst du und erkundigst dich nach dem Haus, in dem diese Bluttat passierte. Was steckt dahinter, John?«
»Es tut mir leid«, sagte ich, »aber das habe ich nicht gewußt. Du mußt mir glauben, Terrence.«
Er blickte mir in die Augen und nickte. »Ja, ich glaube dir. Ich bin es ja gewohnt, bei dir etwas zu erleben, das mit normalen Maßstäben nicht zu messen ist.«
»Wer waren die Toten?«
»Ein junges Paar. Touristen, die sich das leere Haus am See als Nachtlager ausgesucht haben. Ich dachte vorhin, mich trifft der Schlag, als du nach dem Haus fragtest.«
»Es geht hier wirklich um andere Dinge, aber auch die Morde hängen damit zusammen. Mit einer Säge, sagtest du?«
»Ja, davon müssen wir ausgehen. Sagt zumindest der Arzt, der die Reste untersuchte.«
»Gab es Verdächtige?«
»Nein. Auch keine Spuren, wie ich schon sagte. Das Bluthaus am See haben die Zeitungen es genannt. Es ist natürlich tabu. Niemand traut sich mehr hin, aber von Lauder aus liegt der Ort sowieso ziemlich weit entfernt. Und er ist sehr einsam.« Bull nickte vor sich hin. »Aber ich muß dir jetzt noch etwas sagen, John. Du bist nicht der erste, der sich nach dem Haus erkundigt hat. Es gibt da noch eine Person, die mehr darüber wissen wollte.«
Das wurde ja immer rätselhafter. »Wer denn?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich kannte sie nicht. Die Frau hat sich bei meinem Kollegen nach dem See erkundigt.«
»Was? Eine Frau?« Ich staunte weiter.
»Ja.«
»Hatte sie einen Namen?«
»Bestimmt, aber sie hat ihn nicht genannt.«
»Wie sah die Frau aus?«
»Sie hat nicht mich gefragt, und ich habe sie auch nicht gesehen. Es war nicht mein Problem. Ich weiß es nur aus dem Pub. Sie hat mit einem Apotheker darüber gesprochen, als sie sich Kopfschmerztabletten kaufte. Von ihm weiß ich auch, daß die Frau älter gewesen ist. Sechzig Jahre sicherlich.«
Die nächste Überraschung. Welche ältere Frau kam in Frage? Ich wußte die Lösung auf die Schnelle nicht, und ich glaubte nicht daran, daß es Lady Sarah Goldwyn gewesen war. Sie war erstens älter, und zweitens hätte ich davon erfahren. Die Rätsel nahmen zu. Und für mich war es wichtiger denn je, das Haus zu erreichen.
»Eine genauere Beschreibung hat der Apotheker nicht gegeben, denke ich mir.«
»Das stimmt. Er hat sich nur gewundert und der Frau erzählt, was dort passierte. Sie hat es
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