1124 - Aus dem Reich der Toten
nicht mehr durch, denn das Kreuz schien in meiner Hand zu explodieren. Ich hatte es bei meinen Worten aus der Tasche hervorgezerrt, es lag frei, und plötzlich war dieses herrliche, wunderbare und in seinem Aussehen kaum zu beschreibende Licht da, das die Finsternis zerriß, als wäre eine neue Sonne aufgegangen.
Das Licht zerstörte meine Feinde, ich war davon überzeugt, daß es auch diesmal geschehen würde, aber es trat etwas anderes ein. Ich richtete mich auf und hatte dabei das Gefühl, in die Magie des Stabs hineingeraten zu sein, der Suko gehörte.
Die Umgebung war erstarrt. Keiner der Helfer bewegte sich mehr, und auch der König selbst stand unbeweglich.
Engel wollten mich töten, und Engel griffen ein, um mich zu retten. Ich kannte sie, sie kannten meine Not, denn plötzlich waren sie erschienen.
Sie standen in der Dunkelheit des Himmels, und zwar dort, wo die vier Lichtbahnen endeten, die in alle Himmelsrichtungen hinweg vom Kreuz her abstrahlten.
Keine normalen Engel.
Es waren die blassen und doch irgendwie intensiven und geisterhaften Erscheinungen der Erzengel.
Michael, Gabriel, Raphael und Uriel.
Jeder für sich eine gewaltige Macht. Doch alle zusammen waren sie in der Lage, das Böse zu vernichten.
Die vier Strahlen wirkten wie Treppen, die hoch in den Himmel führten und wie man sie oft in den Bibeln für Kinder sieht. Sie hielten das Licht, in dem wir uns alle befanden, wobei ich mit meinem Kreuz den Mittelpunkt bildete.
Es bewegte sich niemand mehr. Die zehn Gestalten nebst Lalibela waren starr geworden. Sie litten unter der Kraft des siegreichen Lichts, und sie vergingen darin.
Ich war nur Zuschauer, der sein Kreuz festhielt. Zwischen meiner Hand und dem Metall lag die kalte Nässe des Schweißes, und ich fühlte mich dabei wie auf Schwingen getragen. So leicht, so wunderbar. Die Angst vor dem Tod war verschwunden. Das Licht schien sogar in das Grab einzudringen, bis hin zu meinen toten Eltern.
Ich hörte Stimmen in meinem Kopf. Wer mit mir Kontakt aufgenommen hatte, wußte ich nicht.
Fremde Stimmen. Vielleicht die Erzengel, die davon sprachen, daß das Böse vernichtet werden mußte.
Sie setzten den Vorsatz in die Tat um. Ich sah keine Waffen, denn ihnen reichte das Licht.
Es hatte die zehn Helfer des Lalibela zuerst nur gebannt. Nun verstärkte es sich noch einmal, und seine enorme Kraft war so stark, daß sie ausgebrannt werden konnten.
Sie starben. Sie vergingen. Sie lösten sich auf, wie immer man es auch sah.
Vor meinen Augen verloren die Körper ihr normales Aussehen. Das Licht zerstrahlte sie einfach.
Ich wurde daran erinnert, wie ich dem Killer den Kopf abgesägt hatte. Etwas Ähnliches passiert auch hier. Das Licht reagierte wie ein immens starker Laser, der die Körper einfach nur verdampfte.
Es lief in Sekundenschnelle ab, mir jedoch kam es wieder langsamer vor. Ich erlebte, wie die Gestalten Stück für Stück verschwanden. Die Auflösung begann an ihren Füßen und setzte sich an den Oberkörpern fort. Keiner wurde dabei verschont, auch Lalibela nicht, der sich als so erhaben gefühlt hatte und jetzt erleben mußte, daß es stärkere Kräfte gab.
Er hatte seinen Stab mit der durchsichtigen Weltkugel und dem Atommodell in ihrem Innern nicht losgelassen. Nur brachte sie ihm keine Hilfe mehr.
Er wurde weniger und kleiner. Wie alle anderen verging er auch lautlos. Zuletzt blieb sein Kopf mit dem schrecklich verzerrten Gesicht zurück, das einen Großteil seiner Schmerzen widerspiegelte.
Er schaffte es sogar, mich anzuschauen.
Ich blickte zurück.
Ich sprach nicht, aber ich erlebte den Haß und die Qual in seinen Augen.
Mir konnte er nicht mehr gefährlich werden. Das Licht drang weiter an seinem Kopf hoch. Es raubte ihm das Kinn, es wanderte bis zur Nase, es wollte auch darüber hinweg, und ich hörte auf einmal das Jammern in meiner Nähe.
Ich drehte den Kopf.
Nora Thorn jammerte ihren Schmerz heraus. Sie war auf die Knie gefallen und hielt den Kopf stark nach vorn gesenkt. Zudem hatte sie beide Hände darum geklammert, als wollte sie sich noch einmal vor irgendwelchen Angriffen schützen.
Doch das war nicht alles.
Ihr Körper hatte sich verändert. Er war durchsichtig geworden. Etwas stimmte da überhaupt nicht mehr. Ich sah ihre Organe, die Knochen waren ebenfalls sichtbar, doch mir fiel noch mehr auf. Man hatte ihr etwas eingepflanzt, das für mich wie Metall aussah und silbrig glänzte wie mein Kreuz.
Auf Nora Thorn wirkte das Licht wie
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