113 - Gebeine aus der Hexengruft
zu regnen aufgehört.
Larry Brent sah, wie sie den Marktplatz
überquerte und den Regenschirm in der Hand hielt, ohne ihn aufzuspannen.
Es war Miß Linkerton, die Sekretärin aus John
Smiths Büro.
●
X-RAY-3 wartete ab, bis Miß Linkerton in der
Seitengasse verschwunden war. Sie wohnte dort drüben.
Er zahlte, trank in Ruhe sein Bier aus Und
verließ dann den Raum. Mit ruhigen Schritten ging er über den Platz und stand
wenig später vor dem alten, zweistöckigen Fachwerkhaus mit den verwitterten
Steinen.
Im Zimmer unter dem Dach brannte Licht. Das Haus
hatte vorhin noch in tiefer Dunkelheit gelegen.
Zwei Namensschilder klebten an der Tür.
Linkerton stand oben. Darunter:
Candover. Miß Linkerton lebt« im Haus der
Candovers, die heute offensichtlich nicht zu Hause waren. Entweder waren sie
auf Verwandtenbesuch, um von den schrecklichen Ereignissen im Brimsley zu
berichten, die bisher in keiner Zeitung veröffentlicht worden waren, oder sie
spielten mit dem Gedanken, nicht mehr in das Dorf zurückzukehren.
Daß eine breitere Öffentlichkeit nicht
informiert worden war, darum hatte Larry gebeten. Vorerst dampfte es nur in der
Gerüchteküche. Solange man nichts Genaues über die wirklichen Vorgänge wußte,
war es verkehrt, daß Reporter und Neugierige nach Brimsley reisten und ein
Heerlager aus dem Ort machten.
Larry war sich im klaren darüber, daß man die
unheimlichen Vorgänge in Brimsley nicht mehr lange verschweigen konnte. Über
kurz oder lang würde sich einiges ereignen, aber bis dahin wollte er soviel
Material wie möglich zur Verfügung haben, um zufassen zu können - falls das bei
einem Geist überhaupt möglich war.
Bis jetzt waren diejenigen, für die er sich
besonders interessierte, Menschen aus Fleisch und Blut. Das ließ' ihn hoffen.
Er klingelte.
Eine Minute verging. In der Dachkammer wurde
das Fenster geöffnet. Miß Linkerton streckte ihren Kopf heraus.
„Ja? Wer ist denn da?“
„Brent.“ Er winkte nach oben.
„Mister Brent? Na so etwas. Wie kommen Sie
denn ausgerechnet auf mich? Einen Moment - ich komme.“
Sie war beweglich und lief schnell die
knarrenden Stufen nach unten. Larry vernahm jedes Geräusch draußen vor der Tür.
Miß Linkerton schloß auf. „Ich hoffe, Sie
haben sich nicht verlaufen, Mister
Brent. Besuch bei einer alten Frau, und das
am Sonntag? Haben Sie denn nichts Besseres vor?“
Ihre Stimme war etwas schrill, die Frau
sprach zu laut.
Larry war überzeugt davon, daß Smith
beachtliche Nerven hatte, wenn er dieses Organ Tag für Tag ertrug.
„Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?“
„Nein, danke für das Angebot. So lange möchte
ich mich nicht aufhalten. Ich habe nur zwei oder drei Fragen an Sie. Es geht
mir noch mal um die Liste, auf der Sie die Namen jener. Personen vermerkt
haben, die in der letzten Zeit oft oder auch weniger oft im Rathaus waren, um
einen Blick in die Chronik zu werfen. Viele beschäftigten sich mit der Lektüre
stundenlang, dazu gehörten Schüler und Lehrer aus der Nachbargemeinde, die
Vergleichsunterlagen anfertigen wollten. Zu den häufigen Besuchern gehörte auch
Reverend McCorner. Er war noch einen Tag vor seinem Tod im Rathaus.“
„Ja, das ist richtig. Ich weiß nicht, worauf
Sie hinauswollen, Mister Brent?“
„Ich frage mich, ob es vielleicht nicht eine
Möglichkeit gäbe, auch in das Büro des Bürgermeisters oder ins Archiv zu
kommen, ohne daß Sie darüber informiert sind, Miß Linkerton.“
„Sie denken an einen Einbruch?“
„Ja, so etwas Ähnliches ...“ „Ausgeschlossen!
Die Fenster sind vergittert, die Türen geschlossen.“
„Manchmal aber sind die Türen nicht
verschlossen.“
„Das ist nur dann der Fall, wenn der
Bürgermeister oder ich mich dort aufhalten.“
„Genau darauf will ich hinaus, Miß Linkerton.
Könnte es sein, daß während Ihrer Anwesenheit jemand ins Archiv schleicht, ohne
daß Sie es bemerken?“
Sie nickte mit dem Kopf. „Undenkbar!
Natürlich nicht ausgeschlossen. Ich schließe nicht jedesmal ab, wenn ich auf die
Toilette gehe oder mir in der Küche Wasser für ’nen Kaffee heißmache. Aber wer
sollte ... Unsinn! Niemand bricht ein, um zwei Seiten aus einem alten Buch
herauszureißen. Es sei denn, der Text enthält das Rezept, wie man Blei zu Gold
macht.“
„Es gibt Dinge, die einigen Leuten so wichtig
oder noch wichtiger als Gold sind, Miß Linkerton. In dem fehlenden Text könnte
eine sehr wichtige Mitteilung stecken, auf die niemand bisher geachtet
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