1131 - Terror in der Totenstadt
Golenkow sagte kein Wort. Er stand einfach nur da und staunte. Karina Grischin bewegte sich. Sie hob einen Arm an und fuhr mit den gespreizten Fingern durch ihr Gesicht, wobei sie den Kopf einige Male schüttelte.
Unter der Decke waren Lampen angebracht. Wahrscheinlich auf Schienen. Und sie strahlten in bestimmten Winkeln nach unten, damit auch jede Ecke in dieser Halle erfaßt wurde. Sie wurde ausgeleuchtet, aber sie war nicht strahlend hell. Das Licht tauchte alles im Innern in einen grauen Schein, und so hatten beide das Gefühl, einen von dünnen Gardinen erfüllten Innenraum zu sehen.
Er besaß ein Zentrum!
Es war kaum zu fassen, und jeder Fremde mußte einfach den Kopf schütteln. Dieses Zentrum war kreisrund. Es war ein gewaltiger Bottich. So groß, wie ihn Karina und Wladimir noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Viel größer als eine Manege im Zirkus, und dieser Bottich bestand aus dicken und leicht trüben Glaswänden, die trotzdem einen Blick in das Innere zuließen.
Er war gefüllt.
Mit einer Flüssigkeit gefüllt. Doch auch darüber konnten die beiden zunächst nur den Kopf schütteln, denn die Flüssigkeit bestand nicht aus Wasser, sondern aus einer dicklichen Masse, die entfernt schon an Schleim erinnerte.
Er lag darin. Er schwappte leicht hin und her und warf sicherlich auf der Oberfläche auch Wellen.
Das konnten beide nicht erkennen, weil die Ränder des Bottichs zu hoch waren und sie einfach zu tief standen.
Sie brauchten eine Weile, um sich an diesen Anblick zu gewöhnen, mit dem keiner von ihnen gerechnet hatte. Ungefähr eine halbe Minute verging in einer bedrückenden Stille, die nur von einem sonderbaren Klatschen der Wellen unterbrochen wurde, wenn sie die Ränder berührten.
»Was ist das, Wladimir?« flüsterte Karina.
»Tut mir leid. Ich kann es dir nicht sagen.«
»Wasser nicht?«
»Nein.«
Karina räusperte sich. »Es ist nicht leer«, sagte sie mit leiser Stimme. »Wenn du genau hinschaust, siehst du die Schatten darin, wie sie sich bewegen.« Sie warf ihm einen Blick zu. »Sind das Fische? Sehr große Fische, Wladimir?«
»Wenn ich das wüßte. Jedenfalls sind wir an das Geheimnis von Zombieville sehr nahe herangekommen. Was darin schwappt, das ist…«
»Eine Lösung«, sagte sie.
»Bitte?«
Karina blickte ihn aus großen Augen an. »Ja, das muß eine Lösung sein. So etwas wie eine Nährlösung. Nur darin können diese Wesen überleben. Das Zeug ist auch dicker als Wasser. Es kommt mir wie Schleim vor. Bestimmt ist er zäh.«
»Möglich. Jedenfalls müssen wir näher heran.«
»Du kannst auch hinein.«
»Wie?«
Sie zog ihn zur Seite, um Wladimir ihren Blickwinkel zu ermöglichen. »Da an der Seite sehe ich eine Leiter. Die kannst du hoch bis zum Rand gehen und einsteigen.«
»Danke, ich verzichte.«
»Aber nicht darauf, näher heran zu gehen.«
»Nein, darauf nicht.«
Sie blieben keine Sekunde länger stehen. Die Entfernung zwischen ihnen und dem Bottich war nicht sehr groß. Vielleicht dreißig Schritte. Und die legten sie so vorsichtig und leise wie möglich zurück.
Sie wollten keinen Menschen stören. Nichts sollte auffallen. Es war durchaus möglich, daß man sie unter Kontrolle hielt, und davor fürchteten sich beide. Aber es lauerten keine Angreifer in der Nähe, und so bewegten sie sich weiter über einen schmutzigen Boden hinweg, der sehr glatt und aus Beton gegossen war.
Fast wäre Karina über einen dunklen Gegenstand gestolpert. Im letzten Augenblick hob sie das rechte Bein an, bückte sich und nahm den Gegenstand auf.
Es war eine Waffe. Eine Pump Gun. Verschmutzt, denn sie hatte schon lange hier gelegen, und Karina schüttelte den Kopf, als sie die Waffe hochhielt.
»Schau dir das an, Wladi.«
Er lächelte schmal. »Behalte sie. Wer weiß, wann wir sie noch benutzen müssen.«
»Ich schaue erst einmal nach, ob sie überhaupt geladen ist. Damit wir nachher keine bösen Überraschungen erleben.«
»Tu das.«
Während Karina die Waffe überprüfte, blickte sich Golenkow um. Er ging auch auf die rechte Wand zu - und blieb stehen, als er ungefähr drei Schritte von der Fundstelle entfernt war, denn dort lag etwas auf dem Boden, das beim ersten Hinsehen wie ein dunkles, zusammengekrümmtes Bündel wirkte, es aber nicht war, wie Wladimir erkannte, als er sich gebückt hatte. Vor seinen Füßen lag ein Mensch.
Er schaute nicht zweimal hin, denn dieser Mensch war ein Opfer der Zombies geworden. Wahrscheinlich hatte ihm die Pump Gun gehört.
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