1134 - Alissas Vater
beide. Der Betrieb ist kaum in den Griff zu bekommen.«
Ich winkte ab. »Die Leute müssen sich bald eine andere Stammkneipe aussuchen.«
»Warum?«
»Weil Rudy nicht mehr lebt«, sagte Bill. »Er wurde umgebracht.«
»Nein, das ist…« Herby wurde blaß. »Wieso? Wer hat ihn denn umgebracht? Franca?«
Wir gaben darauf keine Antwort. Ich erkundigte mich nach einem zweiten Ausgang.
»Ja, den gibt es.«
»Wo?«
Herby stand auf. »Ich führe Sie.«
Er kannte sich wirklich aus. Wir schlängelten uns an den Gästen vorbei und ignorierten ihre Kommentare. Für uns war es wichtig, herauszufinden, ob Franca noch auf unserer Seite stand oder ob sie schon eine Chance ergriffen hatte.
Wir mußten durch den Toilettengang, der an seinem Ende vor einer Tür aufhörte. Sie war ziemlich stabil.
Allerdings war sie nicht geschlossen.
Herby schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht!« sagte er leise. »Das ist ein Rätsel.«
»Was?«
»Die Tür ist sonst immer verschlossen. Nur jetzt nicht…«
»Komm!« sagte ich zu Bill und drückte ihn herum. Dann eilten wir so schnell wie möglich die Treppe hoch zur Wohnung der Wirtin. Sie hatte sie in aller Eile verlassen, denn nicht einmal die Tür war wieder ins Schloß gefallen.
Leere Räume.
Ein Schlafzimmer, in dem die Schubladen einer Kommode offenstanden. Es brannte auch Licht.
Sein Schein fiel auf das Bett, wo sich einige Kleidungsstücke verteilten. Franca mußte in aller Eile die wichtigsten Dinge zusammengepackt haben und dann geflohen sein.
Bill fluchte und trat wütend mit dem rechten Fuß auf.
***
Durch die Hintertür war Franca in ihr Haus geeilt, und durch die Hintertür war sie wieder verschwunden. Sie hatte Geld und ein paar Kleidungsstücke zusammengerafft und in einer weichen Reisetasche verstaut.
Sie hatte nichts getan, nichts verbrochen, und doch war es besser, wenn sie die Stadt verließ. Noch immer glaubte die Frau nicht daran, daß sich Aslan nur mit ihrer gemeinsamen Tochter zufriedengeben würde. Zu einer Familie gehörten beide Elternteile, und so etwas wußte auch Alissa.
Über die Rollen der beiden Männer war sie sich nicht im klaren. Sinclair und Conolly schienen etwas zu wissen oder zumindest zu ahnen. Hatten sie vielleicht bemerkt, daß auch sie einmal eine ändere gewesen war? Wanderblut in den Adern. Mit den Zigeunern gezogen. Als Hexe angesehen.
Als Frau mit unheimlichen Kontakten zu einer anderen Welt.
Das alles hatte sie verdrängt, aber nicht vergessen. Und die Ereignisse hatten dafür gesorgt, daß es wieder zurückkehrte. Das Schicksal ließ sich eben nicht übertölpeln. Einige Jahre hatte sie hier in London verbracht. Die wahre und eigentliche Heimat allerdings lag ganz woanders.
Sinclair und Conolly waren mißtrauisch geworden. Aus diesem Grunde mußte sie so schnell wie möglich weg. Sie würde in der Stadt schon ein Versteck finden, und sie war überzeugt, daß sich sehr bald auch ein Kontakt zu Alissa einstellte.
Auf diese Wohnung konnte sie gut und gern verzichten. Vor ihr lag ein neues Leben. Sie würde mit Aslan wieder vereint sein und natürlich auch mit ihrer Tochter. Das war für Franca das Größte überhaupt. Denn in ihr vereinigten sich die Gene des Vaters und der Mutter. Und da konnte nur etwas herauskommen, was die Welt bisher noch nicht erlebt hatte. Franca steckte voller wilder Freude, als sie mit der Reisetasche die Treppe hinabeilte. Ein Wollmantel lag über ihrer Schulter. Niemand sah sie, und so erreichte sie unangefochten den Hinterausgang.
Wie ein Spuk tauchte sie in den Nebel ein. Sie lief etwa zehn Minuten lang durch die Hafengegend und wandte sich dann den Lichtern der Innenstadt zu. Dort lag der Nebel nicht so dicht wie am Wasser. In einem noch geöffneten Fastfood-Restaurant kaufte sie eine Cola und fand einen freien Platz in der Ecke.
Franca wollte überlegen. Dazu kam es nicht mehr. Der Strom erwischte sie so plötzlich, daß sie beinahe den Pappbecher mit dem Getränk vom Tisch geräumt hätte.
Es war Aslan. Sie hörte ihn. Seine Stimme, ja, beinahe noch die gleiche wie früher, tanzte durch ihren Kopf und gab entsprechende Anweisungen.
Sie hörte nur zu. Sie vergaß das Trinken. Nach Minuten hatte sie alles verstanden und lachte auf.
Die Dinge befanden sich im Lot. Von nun an würde nichts mehr schiefgehen…
***
Auch als Geisterjäger muß man hin und wieder arbeiten wie ein normaler Polizist. In diesem Fall hieß es, eine Fahndung anleiern. Allerdings eine sogenannte stille. Dazu
Weitere Kostenlose Bücher