1136 - Das Blut der Bernadette
würde schon eine schauspielerische Leistung erbringen müssen, um die Oberin überzeugen zu können.
Jane dachte ähnlich wie ich und fragte ihren Schützling: »Fühlst du dich stark genug, um es durchzustehen?«
»Das muß ich wohl.«
»Ich bin bei dir. Du fährst jetzt mit mir ins Heim, und unterwegs können wir alles bereden.«
»Wenn das nur gutgeht.« Polly war noch immer fertig. Wahrscheinlich dachte sie an Rita, und schließlich flüsterte sie auch einige Male ihren Namen. Das Schicksal der Freundin hatte sie hart getroffen. Wir würden uns auch davor hüten, Einzelheiten zu verraten.
Jane hakte sie unter, als wir gingen. Ich hatte die Vorhut übernommen. Der Koffer mußte noch aufgesammelt werden, aber das war es nicht allein. Noch immer wurde ich den Verdacht nicht los, beobachtet zu werden. Zwar war der Wald um uns herum relativ dicht, aber Verstecke gab es schon genug.
Wer Handgranaten warf, der schoß auch aus dem Hinterhalt, davon ging ich aus.
Den Koffer fanden wir. Es war ein altes Stück. Um ihn zusammenzuhalten, hatte Polly einen Gürtel darum geschnallt. Ich trug das Gepäckstück und konnte schon bald eine schmale Waldstraße sehen, auf der unsere Fahrzeuge standen.
Ich lud den Koffer in Janes Wagen ein. Es war sehr still. Das graue Tageslicht hing noch über uns, doch es verblaßte bereits. Bei diesen kurzen Tagen kam die Dunkelheit schon sehr früh.
Der Wald schwieg. Es lauerte niemand im Unterholz, der uns beobachtet hätte. Es schoß auch keiner auf uns. Nur das Laub fiel ab und zu noch aus den Kronen der Bäume und schwebte auf die Fahrbahn.
Polly war schon in Janes Golf gestiegen. Unbeweglich hockte sie auf dem Beifahrersitz. Bevor ich in den Rover stieg, kam die Detektivin zu mir. »Du hast dein Handy, John, ich habe meines ebenfalls. Wir bleiben in Verbindung.«
»Sicher. Aber du weißt auch, auf was du dich eingelassen hast?«
Sie lächelte. »Hätte ich das sonst vorgeschlagen? Ich will die Oberin, John. Ich weiß genau, daß hinter, ihr mehr steckt als nach außen dringt. Sie ist für mich alles, nur eben keine normale Nonne, die ein Heim oder Kloster leitet.«
»Deshalb sei auf der Hut. Und vergiß den Killer nicht.«
»Auf keinen Fall.«
Wir gingen noch einmal den Plan durch und gelangten zu dem Schluß, daß es keinen besseren gab.
Danach stieg Jane wieder in den Golf, startete ihn und fuhr weg…
***
Ich hatte dem Fahrzeug nachgeschaut, bis es hinter der langen Kurve verschwunden war. Da ich auch den Motor nicht mehr hörte, war es sehr still um mich herum geworden. Ich blieb noch in der Einsamkeit stehen und suchte wieder nach irgendwelchen Typen, die mich vom Wald her unter Kontrolle hielten.
Nichts. Einbildung, konnte man meinen.
Schließlich setzte ich mich in den Rover und startete ebenfalls. Bis zum Heim oder Kloster wollte ich auf keinen Fall fahren. Es gab vielleicht in der Nähe einen Platz, an dem ich den Wagen abstellen konnte. In guter Deckung, und eine Deckung würde ich auch brauchen, um ungesehen an das Ziel heranzukommen.
Weit war es nicht mehr. Schon am Ende der Kurve, wo die Straße wieder geradeaus weiterführte, konnte ich einen ersten Blick auf die Umrisse des Baus werfen.
Ich sah auch ein Licht in der Höhe und ging vom Gas. Hier in der Nähe suchte ich nach einem Versteck für den Wagen. Parktaschen existierten nicht. So blieb mir nichts anderes übrig, als den Rover in das Unterholz zu fahren.
Glücklicherweise gab es an der linken Seite keinen Straßengraben. Ich rangierte den Wagen in das Unterholz, wo er einigermaßen sicher stand, und stieg aus.
Auch in der Nähe des Heims bewegte sich nichts, und es herrschte Stille. Ich schlug mich in die Büsche, um das Ziel auf eine unorthodoxe Art und Weise zu erreichen. Von irgendwelchen Alarmanlagen hatte Polly zwar nichts erzählt, aber ich wollte es auch nicht ausschließen, daß es hier so etwas gab.
Manchmal wünscht man sich, ein Schatten zu sein, um sich lautlos bewegen zu können. Ich war es nicht, um meine Füße verursachten deshalb Geräusche. Überall lagen die feuchten Blätter auf dem Boden und hatten ihn glatt werden lassen.
Sehr angespannt schlug ich mich durch. Ich räumte Zweige zur Seite, ich umging Bäume und behielt stets das Mauerwerk im Blick. Der Wald wuchs leider nicht bis direkt an das Haus heran. Zwischen ihm und dem Bau existierte eine freie Fläche. Es war ein Garten, den die Schülerinnen angelegt hatten.
Im Sommer sah er sicherlich farbig aus, jetzt aber
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