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1136 - Das Blut der Bernadette

1136 - Das Blut der Bernadette

Titel: 1136 - Das Blut der Bernadette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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war recht groß, aber auch kahl. Nur ein Bild hing an der Wand. Es war eine vergrößerte Fotografie, die ihren Platz direkt hinter dem Schreibtisch der Oberin gefunden hatte. Es zeigte das Gesicht einer älteren Frau, die sehr ernst und lauernd schaute.
    »Wer ist das auf dem Bild?« flüsterte Jane.
    Bernadette hatte Ohren wie ein Luchs. »Das ist die Gründerin des Klosters und des Heims. Leider ist sie tot. Schwester Bernadette war eine phantastische Frau.«
    »Sie hieß auch Bernadette?«
    »So ist es, Jane. Ich habe ihren Namen übernommen.« Die Oberin hob zwei Holzstühle an und stellte sie vor dem Schreibtisch auf. »Bitte, setzt euch doch.«
    »Danke.«
    Polly nahm etwas schüchterner Platz als Jane Collins, die sich von der Oberin nicht beeindrucken ließ. Zwischen den Frauen stand der Schreibtisch, der sehr aufgeräumt wirkte. Es gab ein schwarzes Telefon und eine Unterlage aus Kunststoff. Schreibgeräte lagen in einer Schale bereit. Kein Staubkorn war zu sehen, keine Fluse. Der Raum war klinisch sauber.
    Die Oberin schüttelte den Kopf, als sie Polly Clark anschaute. »Ich verstehe nicht, daß du mir keinen Bescheid gesagt hast. Warum nicht? Du hättest mir sagen können, daß deine Kusine kommt. Das ist doch nichts Ehrenrühriges.«
    Polly senkte den Kopf und stimmte ihr zu. »Ich habe mich nur nicht getraut.«
    »Warum denn nicht?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe Angst gehabt. Eine Furcht oder so. Es wäre eine Störung gewesen.«
    »Ach, Unsinn.« Sie winkte ab. »So streng sind wir hier nicht.«
    »Aber es hat noch niemand Besuch empfangen.«
    Die Oberin nickte. »Das stimmt. Eigentlich schade, die Mädchen sind sehr einsam. Damit dies nicht so bleibt, kümmern wir uns um sie. Es ist ein Gebot der Nächstenliebe. Finden Sie nicht auch, Jane?«
    »Ja, ja«, antwortete die Detektivin rasch. »Ich bin sehr angetan von dem, was Sie hier auf die Beine gestellt haben. Das schaffen nicht viele Menschen.«
    »Danke.« Bernadette lächelte hintergründig. »Ich habe es nur in ihrem Namen getan.« Sie hob den rechten Arm und wies mit dem Daumen über ihre Schulter.
    Jane und Polly wußten, wer gemeint war.
    »Sie verehren die Verstorbene wohl sehr«, sagte die Detektivin. »Oder irre ich mich?«
    »Nein, Sie irren sich nicht. Alle hier verehren sie. Für uns ist sie auch nicht richtig tot. Ihr Geist lebt weiter. Er wird nie vergehen. Wir spüren ihn.«
    Sehr locker fragte Jane. »Dann glauben Sie an Geister?«
    »Manchmal schon.«
    »Ihre Schülerinnen auch?«
    »Ja. Sie haben es gelernt, die Gründerin zu verehren und würden heute noch viel, sehr viel für sie tun«, erklärte sie mit einer besonderen Betonung.
    Jane lächelte mokant, bevor sie sagte: »Tja, leider ist sie tot und nur noch Erinnerung.«
    Die Oberin erwiderte zunächst nichts. Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Gesicht war aus dem Bereich der Deckenleuchte verschwunden. Über die Haut hatten sich mehr Schatten verteilt.
    Es war eine Lage eingetreten, die das bisher Aufgebaute kippen konnte. Das merkte auch Polly Clark, die sich dichter an Jane Collins herandrängte, sich aber nicht traute, etwas zu sagen. Beide Frauen fühlten sich von den Blicken der Frau durchbohrt. Für Jane Collins stand fest, daß eine Person wie diese Bernadette nicht unbedingt geeignet war, ein Heim zu leiten. Ihre Methoden gehörten der Vergangenheit an. Sicherlich waren sie noch extremer, und dieses Haus hatte kein Leben gezeigt. Es war tot gewesen. Keine Stimmen, kein Lachen, aber auch kein Weinen. Nur diese Stille, als wären die Mädchen ruhiggestellt worden.
    Die Detektivin dachte gar nicht daran, das Schweigen zu brechen. Sie wollte, daß Bernadette etwas sagte, aber der Umkehrschwung der Situation blieb ihr nicht verborgen. Hier bahnte sich etwas an, und unmerklich übernahm Bernadette die Kontrolle, auch wenn sie sich äußerlich gelassen zeigte.
    Sie rutschte wieder nach vorn, stützte die Hände auf den Schreibtisch, ohne sich zu erheben. Die Pupillen bewegten sich. Sie wollte alles unter Kontrolle halten und fing auch an zu sprechen. Nur mit veränderter Stimme, die jede Verbindlichkeit verloren hatte.
    »Schluß mit lustig«, sagte sie. »Wir werden jetzt aufhören mit den Lügen.«
    »Lügen?« fragte Jane.
    »Ach, tun Sie doch nicht so. Spielen Sie hier nicht die Kusine oder wie auch immer. Sie und ich, wir beide wissen genau, daß es nicht stimmt. Deshalb rate ich Ihnen, mir die Wahrheit zu sagen. Ich will

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