1138 - Zurück aus der Hölle
gegangen, als wäre nichts geschehen. Aber auch dort hat es einen Toten gegeben, und wir haben uns nicht gerührt.«
»Das hat niemand wissen können«, sagte Harry leise. »Auch ich nicht. Außerdem war ich befangen. Wäre sie nicht dagewesen, stünde ich jetzt nicht mehr neben dir. Das musste ich mir immer vor Augen halten. Sie hat mein Leben gerettet. Ralf Rosner hätte bei mir kein Pardon gekannt, das gebe ich dir schriftlich.«
Ich bückte mich und schaute noch einmal unter das Auto. Von der Form eines menschlichen Körpers war nichts mehr zu sehen. Die Leiche hatte sich zusammengerollt. Auf sie wirkten Kräfte, die wir nicht kontrollieren und erklären konnten.
»Ob Zingara darüber Bescheid weiß, was hier unten vorgefallen ist?« fragte Harry Stahl mehr im Selbstgespräch. »Zutrauen würde ich es ihr. Sie ist verdammt mächtig, und ich weiß nicht, wer ihr diese Macht eingeimpft hat. Glaubst du wirklich, dass es der Teufel gewesen ist, John?«
»Kann sein, muss aber nicht. Ich kenne ihre Vergangenheit nicht. Ich weiß nicht genau, wie sie aufgewachsen ist…«
»Koss kannte sie. Er war Rumäne. Zingara stammt ebenfalls aus diesem Land, und ich gehe davon aus, dass sie sich schon aus der Vergangenheit gekannt haben.«
»Das wird sie uns sagen.«
Wir hatten den Lift erreicht. Diesmal erwartete uns niemand. Auf dem Boden war ein rotbrauner Fleck zurückgeblieben.
Wir fuhren hoch.
Es wurde eine kurze Fahrt, denn wir landeten auf der Ebene mit den Geschäften. Das heißt, in einer sehr futuristisch anmutenden Umgebung, die zum größten Teil aus Marmor und Glas bestand. Aus dem Stein war der Fußboden hergestellt worden, der in beigen Tönen glänzte und an manchen Stellen bräunliche Einschlüsse aufwies. Dass es nicht mehr lange bis zum Weihnachtsfest war, ließ sich einfach nicht übersehen. Die Schaufenster der Edel-Boutiquen waren mit allerlei Weihnachtskitsch geschmückt. Vom schwebenden Engel, der Trompete blies, bis hin zu künstlichen Tannenbäumen mit ebenfalls künstlichem Schnee. Und die Schilder mit den oft horrenden Preisen schwebten dann wie Sterne durch die Luft.
Sehkunden flanierten durch die Gänge, auch um sich vor der kühlen Witterung draußen zu schützen.
Viele Fremde befanden sich in unserer Nähe. Auch die Auslagen in den Schaufenstern hatten die Kunden in die Geschäfte gelockt, trotz der hohen Preise.
Die anderen Aufzüge befanden sich auf der gegenüberliegenden Seite. Dort wollten wir auch hin.
Beide hielten wir dabei die Leute im Auge.
Wir konnten nicht mehr objektiv sein. Wer von den Menschen war echt, oder wer war ein Zurückgekehrter? Doch kein Passant hatte seinen Kopf um einhundertachtzig Grad gedreht.
In dieser Glitzerwelt fühlte ich mich wie in einem Käfig gefangen. Hinzu kam noch die weihnachtliche Musik, die durch die Passagen dudelte. Neben einem breiten Schaufenster, in dem teure Lederwaren wie Taschen und Gürtel ausgestellt waren, blieben wir stehen, beobachtet von zwei in Blau uniformierten Männern einer Sicherheits-Firma.
»Warum fährst du noch nicht hoch?« fragte Harry.
»Etwas stört mich.«
Harry gab seine Antwort und lachte dabei. »Ich weiß auch, was dich stört, John. Du bist dir nicht sicher, ob diese Menschen hier alle normal sind oder zu den anderen gehören.«
»Genau das ist es.«
»Tut mir leid, aber das werden wir so schnell nicht herausfinden. Zingara ist die Lösung.«
»Ich weiß.«
»Wenn das so ist, John, dann teilen wir uns auf. Du fährst zu ihr, während ich hier unten bleibe und die Augen offen halte. Ich bin schon okay, und ich werde auch mit den Typen fertig, darauf gebe ich dir Brief und Siegel, denn bisher hat ihnen noch niemand eine geweihte Silberkugel in den Kopf geschossen.«
»Du hast deine zweite Waffe bei dir?«
»Was denkst du,«
»Okay. Kann sein, dass es wirklich besser ist, wenn einer von uns hier unten die Stellung hält. Dann schaue ich mich mal in der sechsten Etage um und werde meinen Freund Bill Conolly vertreten.«
Harry wollte noch etwas sagen, da meldete sich sein Handy. Das Piepgeräusch verstummte, als er es aufgeklappt hatte und sich mit leiser Stimme meldete.
»Toll, du bist es, Dagmar.«
Ich wusste Bescheid. Es war Dagmar Hansen. Harrys berufliche Partnerin und zugleich eine Frau, mit der er sich auch privat verstand. Die beiden waren praktisch ein Paar.
»Wo steckst du denn jetzt hier in Berlin?« hörte ich ihn fragen.
Was sie sagte, verstand ich nicht, aber Harrys Gesicht hellte
Weitere Kostenlose Bücher