1138 - Zurück aus der Hölle
sich auf. »Dann sind es nur noch wenige Minuten, bis du bei mir sein kannst. Ich sage dir jetzt, wo ich dich erwarte.«, Er gab ihr die Informationen durch, und auch mich beruhigte es, dass Harry hier unten bald nicht mehr allein war.
»Klappt doch wunderbar«, sprach er mich an, als er sein Gerät wieder weggesteckt hatte.
Auch ich war beruhigter. »Wann ist Dagmar denn hier?«
»In ein paar Minuten.«
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Okay, so lange kann man dich ruhig allein lassen.«
»Danke für das Vertrauen - und gib auf deinen Kopf acht, John. Nicht, dass du ihn auch noch nach hinten drehst…«
***
Ich war in den Lift gestiegen, dessen Kabine die gleichen Ausmaße besaß wie die in der Tiefgarage.
Mit mir zusammen war noch ein junger Mann hineingeschlüpft, der sich sicher auf der Karriereleiter nach oben wähnte.
Dynamisch, stromlinienförmig. Der Business-Anzug in Grau, die entsprechend traurige Krawatte dazu, den Aktenkoffer, den kurzen Haarschnitt und einen blasierten Ausdruck im Gesicht, der einem anderen Menschen sagte: »Hier bin ich, und was seid ihr denn für Typen?«
Ich mochte diese Knaben nicht. Sie hatten nichts Individuelles. Sie zogen sich an, und sie uniformierten sich dabei. Sie waren die lebenden Abziehbilder der Werbung. Hoffnungsträger eines mittleren Managements, auf die ich gern verzichtete.
Die Fahrt ging nach oben, und mein nach Rasierwasser duftender Mitreisender schaute ebenfalls in die Höhe. Als ließe sich an der Decke eine Bilanz ablesen.
Er hatte die Taste zur vierten Etage gedrückt und würde zum Glück nicht auch noch bis zu Madame Tarock mitfahren. Er war etwas nervös, denn seine freie Hand zitterte leicht.
Der Lift blieb stehen.
Nicht in der vierten Etagen, auch nicht in einer anderen, sondern zwischen den Stockwerken.
In den ersten Sekunden passierte nichts. Erst dann merkte der Knabe, dass etwas nicht stimmte. Er wurde unruhig.
»Nur ein kleiner Defekt«, sagte ich. Der Typ fuhr zu mir herum. »Ich habe einen Termin!«
»Ich auch.«
»Aber meiner ist wichtiger!« fuhr er mich an.
»Ja, das wird es wohl sein«, erwiderte ich und sah zu, wie er seine Tasche abstellte. Er wollte auf den Alarmknopf drücken, aber ich war schneller und hielt seine Hand fest.
»He, was soll das?«
»Lassen Sie das. Wir warten eine Minute ab. Wenn die Reise dann nicht normal weitergeht, können wir noch immer etwas unternehmen.«
»Verdammt, Sie haben Humor. Wer sind Sie überhaupt, dass Sie es wagen, mich anzufassen?«
»Pardon. Ich bin nur jemand, der nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen ist. Sie sollten auch ruhiger werden.«
»Sparen Sie sich Ihren Scheiß.«
Eine Minute kann lang werden. Besonders, wenn man auf etwas wartet. Der Knabe versuchte, meinem Blick auszuweichen. Sein Gesicht rötete sich immer mehr, ein Zeichen, dass er von Sekunde zu Sekunde aufgeregter wurde.
»Die Minute ist…«
Das letzte Wort brachte er nicht mehr hervor. Kurz flackerte das Licht, dann setzte sich der Lift fast übergangslos wieder in Bewegung. Sanft glitt er hoch.
»Na bitte«, sagte ich.
»Wurde auch Zeit.«
An der dritten Etage waren wir schon vorbeigefahren. In wenigen Sekunden würden wir die vierte erreicht haben, wo der Typ aussteigen musste. Die Zahl erschien auch im kleinen Sichtfenster, aber der Lift blieb nicht stehen.
»Nein, ich fasse es nicht!« kreischte der Knabe. »Das ist doch… das ist doch Scheiße.«
»Welch ein hartes Wort für solch eine weiche Masse. Ein kleiner Defekt, mehr nicht.«
»Und wo landen wir jetzt?« fauchte er mich an.
»Im Zweifelsfall in der sechsten Etage.«
»Was soll ich denn da?«
»Wieder zwei Stockwerke nach unten fahren. Oder besser gehen. Etwas Bewegung tut uns allen gut. Übrigens, wir sind schon da, Meister.«
Die beiden Türhälften glitten zur Seite. Sie gaben die Lücke frei, durch die der Typ stürmte. Ich hatte mehr Zeit, und das war mein Fehler, denn plötzlich hörte ich seinen gellenden Schrei. Mochte der Typ sich auch so arrogant gegeben haben, dieser Schrei deutete darauf hin, dass er in Not war.
Mit einem Satz hatte ich den Lift verlassen, fand mich in einem Flur wieder, in dem das Licht flackerte, schaute nach rechts und auch nach links, aber den jungen Mann sah ich nicht.
Dafür hörte ich den Schrei.
Ich lief nach rechts.
Weit vor mir sah ich, was passiert war. Dort sah ich seine Gestalt sehr undeutlich. Er wurde weggezerrt. Er konnte nichts machen. Er war von unheimlichen und nebeligen Gestalten
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