1139 - Das Herz der Jungfrau
sich zeigen, ob all die Warner und Schwarzmaler mit ihren Prophezeiungen recht behielten, die vom angeblichen Untergang der Welt sprachen und zusahen, so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen.
Das hatte ich an diesem Tag selbst erlebt. Es war für mich ein freier Tag gewesen. Urlaub, den ich in London und mit Einkäufen verbracht hatte. Ich war recht entspannt durch die Stadt geschlendert, wobei der Trubel und die Hektik eine wirkliche Entspannung nicht zuließen. Das sah ich nicht so eng, denn mich trieb ja nichts. Ich konnte mir Zeit lassen und hatte mich darauf eingestellt, nicht allein zu sein.
So war ich dann am späten Morgen losgezogen, hatte auch schnell Geschenke gefunden. Für Glenda und Jane Kosmetik-Artikel – die üblichen Verlegenheits-Präsente, für Shao etwas für ihren Computer, und Lady Sarah wurde von mir mit einem Buch bedacht. Es war ein schwerer Band, der aufgemacht war wie ein Lexikon und sich mit geheimnisvollen und rätselhaften Vorgängen des zurückliegenden Jahrtausends beschäftigte.
Die Conollys wollte ich mit einem Gutschein für das Theater beglücken, und mein Patenkind Johnny bekam ein neues Handy. Eines von diesen sehr kleinen Dingern. Er hatte es sich gewünscht, das wusste ich von Bill, und er würde sich bestimmt darüber freuen.
Am frühen Nachmittag hatte ich alles beisammen und in zwei Tüten packen lassen. Zeit für eine Pause. Die machte ich in einem Pub, der in einer kleinen Seitenstraße lag und dessen Eingang sich in einem Hof versteckte.
Hier verirrte sich kaum ein Tourist hin. Die Ströme glitten an der Kneipe vorbei. Ich fand einen freien Platz und wurde von der drallen Bedienung angegrinst, als ich die Tüten auf einen Stuhl stellte und meine Jacke darüber legte.
»Weihnachten«, sagte ich nicht eben glücklich.
»Ja, man sieht es.« Die Frau trug ein schwarzes Kleid mit viereckigem Ausschnitt. »Was kann ich dem erschöpften Käufer denn anbieten?«
»Erst mal ein Bier.«
»Hatte ich mir schon gedacht.«
»Haben Sie auch etwas für den Magen?«
»Ich kann Ihnen ein Sandwich frisch machen.«
»Das wäre doch was.«
»Gern.«
Sie ging, ließ mich zurück, und ich stellte fest, dass sich außer mir vier weitere Gäste im Pub aufhielten. Zwei saßen an der Theke und süffelten ihr Bier, zwei andere hockten sich am Tisch gegenüber und sprachen flüsternd aufeinander ein. Sie sahen aus wie Jungmanager, die auf dem Weg nach oben waren.
Ich bekam mein Bier mit einem freundlichen Lächeln serviert und bedankte mich. Nach dem ersten Schluck dachte ich an Suko, der jetzt im Büro saß und irgend etwas aufarbeiten wollte oder musste.
Davor hatte ich mich gedrückt. Für meinen Freund und Partner hatte ich verschiedene Teesorten gekauft. Was sollte man ihm auch sonst schenken?
Das Bier schmeckte, und da ich ohne Auto in die City gefahren war, würde ich mir auch noch ein zweites Bier gönnen, um dann gemütlich mit der U-Bahn nach Hause zu fahren.
Wieder erschien die Bedienung. Sicherlich war es die Wirtin. Sie hatte ihr dunkelblondes Haar hochgesteckt, und die Haarkugel auf ihrem Kopf wurde von einem schwarzen Cordband gehalten.
Das Sandwich war in Form eines Dreiecks geschnitten und bestand aus drei Schichten, bestrichen mit verschiedenen Pasteten und Salatblättern dazwischen. »Dann wünsche ich Ihnen einen guten Appetit, Sir.«
»Danke, den werde ich haben.«
Das kleine Mahl war wirklich vorzüglich. Frischer Belag, frischer Salat, das konnte man mit großem Genuss essen. Ich fühlte mich auch wohl, denn ich hatte nichts mit Dämonen oder anderen Gestalten zu tun. Ich lebte an diesem Tag wie ein ganz normaler Mensch und konnte nur hoffen, dass es auch so bleiben würde.
Die Wirtin, die hinter der Theke stand, beobachtete mich und freute sich, dass es mir so mundete. Ich erklärte ihr noch einmal, wie gut es mir schmeckte und widmete mich auch dem Bier.
Mir kam wieder Weihnachten in den Sinn. Wo ich das Fest verbringen wollte, wusste ich noch nicht. Nicht bei den Conollys jedenfalls, denn sie wollten in den Winterurlaub fahren und die Jahrtausendwende in den Bergen verbringen. Ihren Sohn nahmen sie mit, der schon ganz scharf auf das Carving war, das Skilaufen ohne Stöcke. Vielleicht würde ich Weihnachten mit Jane und Lady Sarah verbringen, die mich und auch Glenda, Shao und Suko eingeladen hatten. Jane liebte eben Feste im Kreise der Freunde, und bei ihr war es auch immer ganz nett, obwohl es auch da schon in den vergangenen Jahren
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