1139 - Das Herz der Jungfrau
Zeit und wollte mich nicht gehen lassen. »Was macht denn der Job, die Dämonenjagd?«
Ich zwinkerte ihm zu. »Können Sie schweigen?«
»Klar.«
»Ich auch.« Lässig winkte ich ihm zu und nahm den Weg in Richtung Aufzug. Meine nachmittägliche Lockerheit war dahin. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass schwerer Ärger in der Luft lag, der möglicherweise auch etwas mit dem Millennium zu tun hatte, obwohl ich daran eigentlich nicht so recht glaubte. Dazu war ich einfach noch zu sehr Optimist geblieben. Ich wollte nun wirklich nicht zu denen gehören, die pessimistisch in die Zukunft schauten und an die großen Katastrophen dachten.
Der Lift brachte mich schnell in die Etage, in der meine Wohnung lag. Nebenan bei Shao klingelte ich nicht. Wenn Suko etwas wollte, würde er mich persönlich anrufen und nicht etwa Shao als Botin einsetzen.
In der leeren Wohnung packte ich die Geschenke ins Schlafzimmer. Die Tüte verschwand zwischen Schrank und Wand. Ich ging zurück in den Wohnraum. Ich hörte den Anrufbeantworter ab, aber es gab keinen, der eine Nachricht für mich hinterlassen hatte. So würde ich auch keinen Ärger erleben.
Ich denke, das Gefühl, das mich beherrschte, kennt ein jeder. Man befindet sich in der eigenen Wohnung, alles ist so wie immer, nichts hat sich verändert, und trotzdem fühlt man sich nicht wohl. Ich wusste nicht, woran es lag, aber es gab mir schon gewisse Rätsel auf.
Es konnte auch von Sukos Anruf herrühren. Da war mir eine Person angekündigt worden, die sich X-Ray nannte.
Welch ein Name!
X-Ray ist ein militärischer Ausdruck. In der Luftfahrt wurde er als Bezeichnung für ein unbekanntes Flugobjekt eingesetzt, und auch für mich war der Besucher eine unbekannte Größe.
Leider hatte man Suko keine Zeit genannt, und so würde die Warterei auch zu einer Qual werden. Schon jetzt spielte ich mit dem Gedanken, den Abbé oder Father Ignatius anzurufen, aber ich riss mich zusammen, denn ich wollte ihnen meine Ungeduld nicht zu sehr zeigen.
Aber es lag etwas in der Luft. Es kam etwas auf mich zu. Noch in den letzten Tagen des Jahres, deren Ausklang ich mir anders vorgestellt hatte. Das sagte mir mein Gefühl.
In der Wohnung war es mir zu ruhig, deshalb schaltete ich das Radio ein. Ich hörte Kurznachrichten und erfuhr, dass die Welt nicht besser geworden war. Zur Jahrtausendwende wurden in einigen Ländern die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Die Amerikaner hatten Angst vor Bomben, und auch in Israel erhielten Polizisten und Militär Ausgangssperre und mussten in Bereitschaft bleiben.
Um mich zu entspannen, hockte ich mich in einen Sessel und legte die Füße hoch. Im Schwenker drehte sich der Cognac. Er tat mir jetzt gut, und auch das Gefühl der Entspannung trat ein.
Dann meldete sich die Klingel. Es war der Ton, der mich hochschrecken ließ. Die Ruhe war vorbei. Es ging weiter, und ich würde einen gewissen XRay kennen lernen.
Ich war schnell an der Tür und erkundigte mich durch die Sprechanlage, wer was von mir wollte.
»Ich bin es, John!«
Hätte ich ein Getränk im Mund gehabt, ich hätte es sicherlich ausgespieen, denn wer sich da gemeldet hatte, an den hatte ich bei aller Phantasie nicht gedacht.
»Hörst du nicht? Verflixt, ich stehe hier unten, und euer komischer Hausmeister wollte mich nicht durchlassen.«
»Schon gut, Tanner, komm hoch.«
Das hatte ich wirklich noch nicht erlebt. Chief Inspector Tanner hier bei mir in der Wohnung. Ein Wahnsinn. Nicht, dass ich etwas dagegen gehabt hätte, aber er war sicherlich nicht gekommen, um mir schon jetzt ein frohes Fest zu wünschen.
Es dauerte nicht mehr lange, da verließ Tanner den Lift. Der graue Mantel, der graue Anzug mit Weste, der graue Hut – er war es, und er sah aus wie immer.
Er musste mich gesehen haben und ging darauf nicht ein, sondern schaute sich im Flur um, wobei er die Augenbrauen etwas zusammenzog und nicht eben happy aussah.
»So wohnst du also?«
»Enttäuscht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Nein, nicht direkt. Es scheint mir nur etwas eng zu sein.«
»Man gewöhnt sich daran.«
»Wenn du das sagst.«
»Komm erst mal rein.«
»Klar.«
Tanner zog seinen Mantel aus und hängte ihn auf. Im Wohnzimmer schaute er sich ebenfalls um. Er nickte vor sich hin. »Ist ja alles normal.«
»Sicher. Was hast du dir denn vorgestellt?«
Er grinste. »Schließlich bist du Geisterjäger. Da habe ich gedacht, dass du auch eine entsprechende Wohnung hast. Richtig schaurig oder so. Das ist wohl nicht der
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