1139 - Das Herz der Jungfrau
von dem Fall lassen sollte. Es wäre besser für mich und meine Gesundheit. Du kennst die Spielchen ja. Dann ist er verschwunden, und ich war nicht in der Lage, ihn aufzuhalten. Mit meinen Mitarbeitern habe ich darüber nicht gesprochen. Ich wollte es dir sagen.«
»Das war gut.«
Beide tranken wir wieder, bevor ich die nächste Frage stellte. »Mal von dieser Gestalt abgesehen, die du ja ziemlich genau gesehen hast, wurde dir wirklich nicht erklärt, warum du die Finger von dem Fall lassen sollst? Gab man dir keinen Hinweis?«
»Überhaupt nicht. Er war der Meinung, dass genau dieser Fall keiner für mich ist. Meinem Job sollte ich nachgehen, aber die Finger von dem bestimmten Fall lassen.«
Ich räusperte mich. »Den Mann hast du vorher noch nicht gesehen?«
»Natürlich nicht.«
»Wie sah er denn aus?«
Tanner grinste und meinte: »Eigentlich führe ich ja immer die Verhöre. Aber das ist schon okay. Er war recht groß, er war dunkel gekleidet, und er hatte etwas an sich, dass man schlecht beschreiben kann. Eine Aura, die selbst bei mir altem Profi eine Gänsehaut verursachte. Sie war so anders…«
»Wie anders?«
Tanner schaute sehr ernst. »Wie von einer anderen Welt. Ich kann es nicht anders beschreiben, aber so ist es gewesen. Er trat auf wie ein Herrscher. Wie ein Mächtiger, der die Fäden in den Händen hält und an ihnen zieht.«
»Schade«, sagte ich, »Dass er nicht mehr über sich preisgegeben hat.«
»Aus gutem Grund.«
Mir schossen zahlreiche Gedanken durch den Kopf, die sich verdichteten, als ich einen langen Blick auf das gefundene Templerkreuz warf.
Zufall? Oder keiner? Hingen die beiden Fälle zusammen, wobei der eine noch kein Fall war und nur aus einem Anruf bestand? Mir war ein gewisser X-Ray angekündigt worden, und ich argwöhnte, dass dieser X-Ray und der Tote identisch waren. Ein und dieselbe Person, die es nicht mehr geschafft hatte, mit mir Kontakt aufzunehmen. Verfolgt worden war und Schutz in dieser Gartenhütte gesucht hatte, was letztendlich nichts gebracht hatte.
Ich blies die Luft aus. Tanner, ein guter Beobachter, hatte genau gesehen, dass mich etwas bedrückte. »Könnte es sein, dass du schon eine Idee hast, John?«
»Ja, das stimmt.«
»Und welche bitte?«
Ich blickte für einen Moment ins Leere. »Das kann ich dir nicht konkret sagen. Es ist mehr eine Vermutung. Vielleicht sehe ich auch Zusammenhänge, die gar nicht existieren, das muss man erst mal abwarten. Aber seltsam ist es schon.« Ich schaute hoch und änderte meinen Tonfall. »Ich habe Besuch erwartet.«
»Schön. Sicherlich nicht mich.«
»Nein. Eine andere Person, die mir avisiert wurde und auf den Namen X-Ray hört.«
Tanner schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist doch verrückt. XRay – hast du dich nicht verhört?«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Er ist nicht gekommen oder noch nicht. Es kann auch sein, dass er gar nicht mehr kommt, weil man ihn in einer Gartenlaube umgebracht hat.«
Der Chief Inspector warf den Kopf zurück und lachte. »Super, John, wirklich. Dann glaubst du daran, dass dein Besucher und der Tote ein und dieselbe Person sind?«
»Ich schließe es zumindest nicht aus.«
Tanner schob seinen Hut noch weiter nach hinten und lehnte sich zurück. Ich ließ ihm Zeit zum Nachdenken. »Das ist natürlich ein Hammer, wenn das so wäre. Leider fehlen uns die entsprechenden Beweise für deine Theorie.«
»Klar, die fehlen. Aber ich brauche sie nicht. Ich glaube plötzlich, dass X-Ray und der Tote identisch sind. Da hat das Schicksal wieder etwas zusammengeführt. Wie schon so oft.«
»Was willst du jetzt tun?«
»Anrufen. Zuerst in Alet-les-Bains und dann in Rom. Aus beiden Richtungen kam die Warnung.«
»Warum in Rom?«
»Father Ignatius…«
»Ach ja«, unterbrach mich Tanner. »Das ist der Mönch, der deine geweihten Kugeln herstellt.«
»Nicht nur das. Er ist auch gleichzeitig jemand, der viel Einfluss besitzt. Er gehört zur Führung des Geheimdienstes der Weißen Macht, der für den Vatikan arbeitet. Mir scheint, dass sich dort etwas ganz Böses zusammenbraut.«
»Und das zum Ende des Jahrtausends.« Er schüttelte den Kopf.
»Hätte ich nicht gedacht.«
Ich war über seine Reaktion überrascht. »Glaubst du auch an diese Untergangs-Geschichten?«
Tanner nahm sein Glas. »Nein, bisher habe ich nicht daran geglaubt. Aber wenn sich schon die Weiße Macht einschaltet, scheint doch etwas im Busch zu sein.«
Ich erwiderte nichts und
Weitere Kostenlose Bücher