1139 - Das Herz der Jungfrau
schaute den alten Haudegen nur an.
Wenn Tanner so etwas sagte, dann war das schon außergewöhnlich.
Ich merkte, wie über meinen Rücken ein kalter Schauer hinwegstrich…
***
Dean McMurdock hatte sich bei seinem Rundgang dicht an der Hauswand gehalten, um den Schatten dort so gut wie möglich ausnutzen zu können. Er dachte an das tote Pferd, und er wusste auch, dass der Mörder nicht vom Himmel gefallen war. Er war ein Mensch, und er hatte das erste Hindernis überwunden.
Es gab noch mehr.
Dazu zählte sich auch der Schotte. In diesen Augenblicken wusste er, dass die Zeit der Kämpfe noch nicht vorbei war. Sie würde andauern, doch auf eine andere Weise wie es damals geschehen war.
Die Dämmerung kroch zwar weiter vor, doch der einsame Mann spürte es nicht. Es blieb dunkel. Die Landschaft war in ein seltsames Zwielicht getaucht. Es war auch kühler geworden. Ein leichter Morgenwind strich durch die Senke und berührte sein Gesicht.
Selbst der Staub roch zu dieser frühen Stunde anders, aber das war es nicht, was ihn störte. Es war mehr der Geruch.
Den Blutgeruch des toten Pferdes hatte er zum Glück aus der Nase bekommen, jetzt drang ihm ein anderer entgegen, und er wusste auch, was diesen Geruch mitbrachte.
Es roch nach Menschen!
Er blieb stehen, als ihm dieser Gedanke kam. Es stimmte. Es war der Geruch nach Menschen. Lange genug hatte er auf den Schlachtfeldern zugebracht, und deshalb war ihm der Geruch bekannt. Nach Schweiß, alter Kleidung, nach Gewalt und Blut.
Der oder die Mörder waren noch da. Sie hielten sich nur versteckt, aber sie lauerten in der Nähe.
Er wartete noch. Erst als einige Zeit, verstrichen war, setzte er sich wieder in Bewegung und blieb weiterhin dicht an der Außenwand des kleinen Hauses.
McMurdock lauschte in sich hinein, ob er Angst hatte. Nein, nicht um sich. Wenn, dann machte er sich um Gabriela Sorgen, denn für ihn stand fest, dass der Mörder auf sie und auf ihr Alter keine Rücksicht nehmen würde.
Die morgendliche Stille hätte jedes Geräusch rasch weitergegeben, aber Dean hörte nichts. Nur die Geräusche, die entstanden, wenn er sich bewegte, und er wünschte sich, ein Vogel zu sein, der lautlos durch die Lüfte glitt.
In seinem Kopf drehte sich alles um den Tod. Seltsamerweise dachte er auch immer an Johanna. Diesmal sah er sie nicht auf dem Scheiterhaufen wie in seinen Träumen, sie erschien ihm als lächelnde, so kleine und zierliche, aber doch so streitbare Frau, die sich von den Oberen nichts sagen ließ. Weder vom Staat noch von der Kirche.
Aus dem Haus hörte er nichts. Trotzdem passierte etwas, das seinen Weg stoppte. In seiner Nähe war ein Geräusch aufgeklungen.
An der linken Seite. Er zuckte zusammen. Wer das Geräusch abgegeben hatte, war im unklar. Entweder ein Mensch oder ein Tier, er tippte eher auf einen Menschen, und der Gedanke daran ließ ihn sein Schwert fester packen.
Das Geräusch wiederholte sich nicht. Dafür vernahm er einen anderen Laut. War es ein Singen, ein Zischen, das entsteht, wenn etwas durch die Luft jagt?
Genau konnte er es nicht sagen, aber es war nicht direkt an der Rückseite aufgeklungen, sondern an der schmaleren Seite, wo es auch Fenster gab.
Ein dumpfes Geräusch aus dem Haus schreckte ihn auf. Es hatte sich wie ein Aufprall angehört, und McMurdock merkte, wie er starr wurde. Er hielt den Atem an.
Da war etwas passiert. Er dachte an die alte Frau. Für McMurdock gab es kein Halten mehr. Der Schotte war ein Kämpfer, der genau wusste, wann er sich dem Kampf zu stellen hatte.
Er lief so schnell wie möglich auf die Hausecke zu. Plötzlich sah er die Gestalt, die sich vom Haus weg bewegte. Er sprach sie zischend an.
Es war ein kleiner, gedrungen wirkender Mann, der sich erschreckte, weil er mit der plötzlichen Bewegung nicht gerechnet hatte. Aber er hatte sich schnell wieder gefangen, obwohl er zurückeilte.
McMurdock wollte ihn niederschlagen. Mit langen Schritten hetzte er auf ihn zu. Er sah plötzlich, wie sich der Mann bewegte. Er legte einen Pfeil auf uns spannte blitzschnell den Bogen. Dann schoss er.
McMurdock sah den Pfeil kaum fliegen. Es war zu dunkel. Er duckte sich instinktiv während des Laufs, und der Pfeil zischte über ihn hinweg. Bevor der andere einen zweiten aufgelegt hätte, würde er bei ihm sein, das stand fest.
Er schwang schon sein Schwert, um die Klinge schräg in den Körper zu schlagen, als es passierte.
Plötzlich erwischte ihn der Schlag im Rücken und mitten in der Bewegung,
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