1140 - Der Eindringling
wartet drinnen auf euch", wich Hurt aus und ging zu seiner Enkelin hinüber. „Dreh den Käfer wieder um, Schatz. Er ist hilflos, wenn er auf dem Rücken liegt."
„Aber er hat so einen schönen roten Bauch!" maulte Eri.
Hurt stellte den Käfer auf die Beine und nahm das Mädchen an die Hand.
„Wir gehen jetzt zu Tina", sagte er. „Die wird sich freuen, daß du uns besuchst. Wenn sie dich begrüßt hat, darfst du den Garten untersuchen. Da gibt es viel schönere Käfer als hier auf der Straße. Du mußt mir aber versprechen, daß du sie nicht ärgerst."
Er nahm einen der Koffer, Millie griff sich den zweiten, und so zogen sie mit dem Kind ins Haus. Während Tina Millie und das Kind mit den üblichen Fragen in Atem hielt, holte Hurt den dritten Koffer. Er blieb einen Augenblick lang auf der Straße stehen. Wenn doch jetzt jemand käme, irgend jemand, dem er sagen konnte, was sich in seinem Hause abspielte!
Aber die Straße blieb leer, und so fügte er sich seufzend in sein Schicksal.
Inzwischen hatte Mildred begonnen, ihre Geschichte zu erzählen, Tina sorgte für Kaffee, Eri knabberte Kekse und hörte fasziniert zu.
„... und als ich zurückkam, war er mit dieser Schlampe zusammen. Sam Zimmermann, habe ich zu ihm gesagt, entweder sie oder ich, und er sagte grinsend, er hätte sowieso nicht vorgehabt, den Ehevertrag zu erneuern. Also, da ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt!"
„Das verstehe ich, mein Kind", sagte Tina mitfühlend. „Rede dir nur alles von der Seele - danach ist dir schon viel wohler. Hast du den Vertrag schon gelöst?"
„Was dachtest du denn?"
Und so ging es weiter. Hurt lehnte sich an den Türrahmen und hörte eine Weile zu, während er die beiden Frauen und das kleine Mädchen beobachtete.
Mildred Zimmermann war vierzig Jahre alt, brünett und braunäugig wie ihre Mutter, dabei aber hochgewachsen und schlank wie ihr Vater. Auch die helle Hautfarbe hatte sie geerbt. Sie war hübsch und anziehend, und sie hatte nie Schwierigkeiten gehabt, Freunde zu finden. Leider war sie aber auch oft ruhelos und aufbrausend, und ihre Freundschaften waren meist nur von kurzer Dauer. Hurt hatte gehofft, daß sich das nach Eris Geburt ändern würde, und für eine Weile hatte es auch so ausgesehen.
Über Eri konnte er sich kein Urteil erlauben, denn er kannte das Kind nicht gründlich genug. Dafür mochte er den Vater des Mädchens. Sam und Millie waren ein paar Mal zu Besuch bei den Gassners gewesen. Sam Zimmermann war ein ruhiger und gütiger Mann - jedenfalls schätzte Hurt ihn so ein. Ein Mann, mit dem man in Ruhe über jedes beliebige Thema sprechen konnte, und der sich in Hurts Gegenwart niemals zu einer unbedachten Bemerkung hatte hinreißen lassen. Vielleicht hatte Sam sich den Gassners gegenüber verstellt, aber Hurt hielt es für weitaus wahrscheinlicher, daß Millies Darstellung in einigen Punkten von der Wahrheit abwich. Er liebte seine Tochter - aber er kannte auch ihre Schwächen.
Vor allem gefiel es ihm nicht, daß all die schmutzige Wäsche nun vor dem Kind ausgebreitet wurde. Als die beiden Frauen daran gingen, die intimeren Einzelheiten des Zusammenlebens von Sam und Millie zu diskutieren, nahm er Eri kurzerhand beiseite und ging mit ihr hinaus in den Garten. Erst als er schon an der Tür stand, dachte er wieder an den Fremden. Aber da das Wesen im Tank keine Einwände vorbrachte, marschierte er kurzerhand weiter. Sim, der jede Gelegenheit nutzte, dem Haus den Rücken zu kehren, schloß sich den beiden an.
Er zeigte dem Kind Tinas Erdbeerbeete, aber Eri war an Erdbeeren, die noch nicht reif waren, wenig interessiert.
„Warum ist ein Zaun um den Garten herum?" fragte sie.
Hurt sah sie nachdenklich an.
„Den Zaun hat mein Großvater errichtet", sagte er. „Er ist dazu da, den Leuten zu zeigen, daß dies unser Land ist."
„Aber das ist doch ein ganz altmodischer Zaun", bemerkte die Kleine naserümpfend.
„Oder nicht?"
„Doch, du hast recht. Aber das ist Absicht, weißt du? Alles hier in Melville ist ein bißchen altmodisch."
„Wo sind die Käfer?"
„Einer von ihnen klettert gerade an deiner Hose hinauf."
„Iiihh!" machte Eri und tat einen gewaltigen Satz.
Hurt lachte und schüttelte den Kopf.
„Er tut dir nichts", erklärte er beruhigend. Er hob den Käfer auf und zeigte ihn seiner Enkelin. „Siehst du, er ist ganz harmlos. Du hast sonst nicht viel mit Tieren zu tun, nicht wahr?"
„Nein. Bei uns gibt es keine. Wir wohnen in einer
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