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1140 - Der Eindringling

Titel: 1140 - Der Eindringling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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von dir, Eri", versicherte Hurt aufatmend. „Mußt du jetzt gerade?"
    „Nein."
    „Gut. Denke an das, was ich dir gesagt habe. Ich werde dich nicht lange allein lassen.
    Übrigens - da drüben ist ein Vogelnest. Komm, ich zeige es dir."
     
    *
     
    Als Hurt seine Enkelin verließ, war Eri in den Anblick der winzigen, flaumigen Küken völlig versunken.
    Er hoffte, daß die Faszination lange genug anhielt, und schlich sich ins Haus. An der Tür zur Wohnküche lauschte er kurz - Tina und Millie hechelten immer noch die angeblichen Verfehlungen Sam Zimmermanns durch und waren somit blind und taub für den Rest der Welt - um anschließend so leise wie nur irgend möglich die Tür zu Tinas Schlafzimmer zu öffnen.
    „Pst!" sagte er zu dem Fremden im Tank. „Ich muß dich sprechen - aber es darf uns niemand hören."
    „Sprich!" wisperte der Fremde erstaunlich rücksichtsvoll.
    „Ich glaube, ich habe eine Möglichkeit gefunden, das Kind von diesem Haus fernzuhalten", erklärte Hurt hastig. „Ich werde versuchen, es zu seinem Vater zurückzuschicken. Wenn mir das gelingt, wird höchstwahrscheinlich auch Millie sehr schnell wieder abreisen. Ich nehme an, daß das auch in deinem Interesse wäre."
    „Deine Annahme ist richtig", versicherte der Fremde.
    „Aber ich muß mit Eris Vater sprechen können", fuhr Hurt fort. „Ich werde dazu das Video im Wohnzimmer benutzen - wenn du es mir erlaubst. Ich versichere dir, daß ich dich mit keinem Wort erwähnen werde. Ich werde nur über das Kind sprechen!"
    Der Fremde überlegte ein paar Sekunden lang.
    „Gut", sagte er. „Aber ich werde dir genau zuhören."
    „Tu das nur", meinte Hurt erleichtert.
    Er spähte durch die Türritze in die Diele hinaus, fand die Luft rein und wechselte auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer hinüber. Zwei Minuten später hatte er Sams verschlafenes Gesicht vor sich - er hatte gar nicht daran gedacht, daß in Europa jetzt natürlich Nacht war.
    „Du?" fragte Sam wenig geistreich, kratzte sich am Kopf und gähnte. „Mitten in der Nacht?"
    „Ich rufe wegen Eri an", erklärte Hurt hastig. „Sag mal, was hältst du davon, wenn ich die Kleine in einen Gleiter setze und zu dir zurückschicke? Sie hat nämlich Sehnsucht nach dir, und die Sache mit Millie käme auf diese Weise sicher am schnellsten wieder in Ordnung, und vor allen Dingen - naja, wir haben hier selbst ein paar Probleme, aber damit möchte ich dich nicht belasten."
    Sam war ein höflicher Mann - er ließ Hurt ausreden. „Du meinst es sicher gut", sagte er dann, „aber schlag dir das aus dem Kopf. Ich weiß nicht, was Millie euch erzählt hat, aber die Wahrheit war es offenbar nicht. Sie war in letzter Zeit geradezu krankhaft eifersüchtig, und sie hat mir damit das Leben zur Hölle gemacht. Ich habe sie gebeten, einen Psychologen aufzusuchen - statt dessen hat sie mir einen Detektiv auf die Fersen gesetzt.
    Und was das Tollste ist: Sie hat behauptet, ich hätte vor, Eri auf Teufel komm 'raus bei mir zu behalten."
    „Aber möchtest du das denn nicht wirklich?" fragte Hurt ernüchtert und enttäuscht.
    „Ich hab' die Kleine sehr lieb", gab Sam zu. „Aber ich könnte mich kaum um sie kümmern. Und selbst wenn das der Fall wäre - wenn Eri jetzt zu mir zurückkäme, würde Millie Anzeige gegen mich erstatten. Ich will das Kind nicht zum Zankapfel machen. Eri bleibt bei ihrer Mutter, und damit basta."
    „Ist das dein letztes Wort?"
    „Ja. Und jetzt entschuldige bitte, aber ich muß sehen, daß ich noch eine Mütze voll Schlaf abbekomme."
    Damit schaltete er ab. Hurt blieb niedergeschlagen vor dem Gerät sitzen, bis ihm siedendheiß einfiel, daß er sich um das Kind kümmern mußte. Er öffnete die Tür zur Diele.
    Die Tür zu Tinas Zimmer stand sperrangelweit offen, und von drinnen erklang eine fröhliche Kinderstimme.
     
    *
     
    Eri war nach dem Grundsatz aufgezogen worden, daß Neugier nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht eines gesunden, aufgeweckten Kindes sei. Dabei waren ihrer Neugier selbstverständlich gewisse Grenzen gesetzt, altersgemäße Tabus, die sich von selbst ergaben. Sie bezogen sich auf das Zusammenleben von zwei Erwachsenen und einem kleinen Kind auf engem Raum, auf hygienische Erfordernisse und auf technische Einrichtungen, die einem sechsjährigen Mädchen gefährlich werden konnten. Von Geistern - wirklichen oder eingebildeten - war nie die Rede gewesen, und darum war Eri vom ersten Augenblick an fest dazu entschlossen, diese Angelegenheit genauestens

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