1140 - Der Eindringling
voller Unbehagen. „Millie wartet schon auf dich."
Hannusen zuckte die Schultern und stapfte in die Küche. Es hatte sich schon nach wenigen Tagen so ergeben, daß er im Hause der Gassners sein Frühstück einnahm.
Anfangs hatte Hurt sich dann mit Sim ins Wohnzimmer verzogen, damit die beiden wenigstens ein paar Minuten am Tag miteinander reden konnten. Aber der Fremde in Tinas Zimmer hatte ihm befohlen, in der Küche zu bleiben, und so saß er da und fühlte sich dumm und unbeholfen, wenn die beiden sich Blicke zuwarfen, die ihm zeigten, wie unerwünscht er war.
„Wir sind mit unserer Arbeit hier fast fertig", sagte Hannusen an diesem Morgen. „Ihr werdet sicher froh sein, wenn es vorbei ist und ihr wieder eure Ruhe habt."
Er sah Millie an, dann Hurt, und beide senkten die Köpfe und schwiegen bedrückt.
Hannusen seufzte.
„Es tut mir leid, daß ich euch so auf die Nerven gehen mußte", murmelte er. „Aber morgen ist es damit vorbei. Hurt - ich brauche heute noch mal deine Hilfe, aber wenn du dich diesmal lieber selbst um deine Frau kümmern möchtest, kann ich dir das nicht übel nehmen."
Millie warf ihrem Vater einen flehenden Blick zu, und Hurt stand auf.
„Wartet hier", bat er. „Ich bin gleich wieder zurück."
Er schloß die Tür sorgfältig hinter sich, blieb für einen Augenblick stehen und lauschte.
Es war sehr still im Haus. Tina und Eri schliefen noch.
Er schlich zu der bewußten Tür, öffnete sie lautlos und huschte in den abgedunkelten Raum.
„Leise!" flüsterte er.
„Was willst du?" wisperte der Fremde zurück.
„Deine Erlaubnis, daß heute meine Tochter an meiner Stelle das Haus verläßt.
„Mit Hannusen?"
„Ja."
„Warum?"
„Wie kannst du nur eine so dumme Frage stellen! Die beiden mögen sich. Gib ihnen eine Gelegenheit, nur ein einziges Mal ungestört miteinander zu reden. Millie wird nichts verraten, das schwöre ich dir!"
„Nein!"
„Aber du hast doch ihre Tochter in deiner Gewalt. Sie wird nichts tun, was Eri in Gefahr bringen könnte."
„Ich kann es dir nicht erlauben."
„Wie kann man nur so stur sein! Aber gut, Fremder - versuchen wir es anders herum.
Hannusen wird Melville morgen verlassen. Wenn ich dir verspreche, daß Tina, Eri und ich die ganze Zeit über hier vor dir sitzen bleiben werden - wirst du dann Millie die Erlaubnis geben, wenigstens diesen letzten Abend mit Hannusen zu verbringen?"
„Nein."
„Warum traust du ihr nicht?" fragte Hurt verzweifelt.
„Sie ist nicht beherrscht genug. Höre doch selbst!"
Und plötzlich vernahm Hurt unverkennbar die Stimmen von Hannusen und Millie.
„Was ist mit dir los?" fragte der Leiter des Vermessungstrupps. „Willst du mich zum Narren halten, oder steckt dein Vater dahinter! Nun rede doch schon, ehe er hier wieder hereingeplatzt kommt!"
„Mein Vater hat nichts damit zu tun", erklärte Millie, und es hörte sich an, als wäre sie den Tränen nahe. „Bitte, stell mir keine solche Fragen mehr!"
„Aber warum? Was habt ihr zu verbergen?"
„Nichts, Grude - einfach gar nichts!"
„Tatsächlich? Und warum benehmt ihr euch dann so merkwürdig? Willst du mir etwa erzählen, daß ihr von Natur aus so seid? Diese Krankheit, unter der deine Mutter angeblich leidet..."
„Schon gut", flüsterte Hurt hastig und eilte zur Tür. „Nicht nervös werden, Fremder!"
Er stürzte in sein Schlafzimmer, schüttelte Tina aus dem Schlaf und fauchte sie an: „Schrei! Schimpfe auf mich! Verlange, daß Millie herkommt. Los!"
Tina begriff wahrscheinlich gar nicht, was überhaupt los war, aber dann begann sie doch zu schreien und zu keifen, und Hurt bemerkte mit Schrecken, daß er sich in Tina geirrt hatte: Sie war viel nervöser, als er gedacht hatte, und sie steigerte sich mit bestürzender Schnelligkeit in einen hysterischen Anfall hinein, der zweifellos echt war.
Er raste in die Küche.
„Millie!" rief er. „Komm, schnell!"
Er rannte zu Tina zurück, versuchte, sie zu beruhigen und schaffte es nicht. Eri wurde wach und stürzte hinter Millie und dem dichtauf folgenden Hannusen herein.
„Bring das Kind in die Küche!" fauchte Hurt, und Grude nahm die Kleine und trug sie hinaus. „Millie, mach die Tür zu!"
Er schüttelte Tina, die nicht aufhören wollte zu schreien.
„Hör auf!" schrie er sie an, aber sie schien ihn gar nicht zu hören. Als er sich nicht mehr zu helfen wußte, nahm er Zuflucht zu einer Methode, die ihm nur aus der Theorie bekannt war: Er gab ihr eine Ohrfeige.
Sie verstummte sofort,
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