1140 - Der Eindringling
sollst meine Hilfe haben", versprach er grimmig. „Aber erwarte dir nicht zu viel davon!"
„Genau das wollte ich hören", sagte Grude Hannusen sanft.
*
„Das ist ein Spion!" behauptete der Fremde. „Dieser Kerl ist hinter mir her - das ganze Gerede hatte nur den Zweck, dich einzuwickeln und mich unaufmerksam zu machen!"
„Mach dich nicht lächerlich!" sagte Hurt ärgerlich. „Hannusen hat nicht einmal versucht, ins Haus zu kommen. Im übrigen ist der Plan an sich schon uralt. Es haben immer wieder Versuche stattgefunden, Melville zu einem Touristenzentrum auszubauen, und meine Familie hat eine lange Tradition darin, das zu verhindern. Ich werde diese Tradition fortsetzen. Hannusen irrt sich, wenn er denkt, daß er hier nur ein paar Vegetationsgebiete samt den entsprechenden Einzugsbereichen aussparen kann!"
„Deine Vegetationsgebiete interessieren mich nicht", schnarrte der Fremde. „Du wirst jeden weiteren Kontakt zu Hannusen meiden."
„Du verlangst zu viel von ihm", sagte Tina, und Hurt blickte sich überrascht nach ihr um.
Sie war blaß, aber gefaßt.
„In dieser Sache kann er dir nicht gehorchen!" sagte sie gepreßt. „Sein Blut, sein Herz und sein Hirn gebieten ihm, sich dagegen zu wehren. Er ist in diesem Haus, in dieser Landschaft geboren und aufgewachsen. Er gehört dazu, und das alles gehört zu ihm.
Wenn das, was da draußen ist, stirbt, dann wird er ebenfalls sterben. Du kannst von ihm nicht verlangen, daß er Selbstmord begeht. Ich weiß, daß du das nicht verstehen kannst, Meister. Du hast zwar stets gesagt, daß die körperliche Welt der Schlüssel zu allem Sein ist, aber du hast das Sein selbst als eine rein geistige Angelegenheit aufgefaßt. Hurt lebt in dieser körperlichen Welt. Er hat keinen Glauben, der geistige Welten umfaßt. Er glaubt nur an die körperlichen Formen des Lebens. Verzeih ihm. Ich bitte dich darum!"
Hurt hörte es und war verblüfft. Grek 336 hörte es ebenfalls - aber er war erschüttert.
Wie um alles in der Welt war er nur darauf gekommen, ausgerechnet Tina als seine potentielle Verbündete zu betrachten? Hatte es da nicht genug Anspielungen gegeben?
All das Gerede von dem Meister, der die Zeit überwunden hatte, von der „Rückkehr" dieses geheimnisvollen Menschen! Gut und schön, anfangs hatte er noch mit einigem Recht annehmen können, daß es sich um einen Fundamentalisten handelte, der noch vor ihm ausgerechnet nach Terra gelangt war - obwohl das unwahrscheinlich genug klang.
Aber spätestens seit dem Gespräch zwischen Hurt und Millie hätte ihm aufgehen müssen, welcher Art von Irrglauben Tina anhing.
Und nun mußte er erfahren, daß Hurt genau so war, wie er sich die Menschen wünschte: Ein Mann, der in dieser Welt verwurzelt war, der mit beiden Beinen fest auf der Erde stand, und dessen Gedanken nicht in irgendwelchen verschwommenen, geistigen Welten herumschwirrten.
„Stimmt das, was Tina da gesagt hat?" fragte Grek 336.
„Mag sein", brummte Hurt mißmutig. „Ich möchte wissen, was dich das angeht!"
„Du liebst diese Welt so, wie sie ist?" bohrte der Fremde ungerührt weiter. „Du willst das alles dort draußen so erhalten?"
„Ja, verdammt. Und jetzt laß mich in Ruhe!"
„Du wirst Hannusen helfen", verkündete der Fremde. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber du wirst mich selbstverständlich nicht an ihn verraten, denn sonst..."
„... müssen Eri, Millie und Tina sterben", seufzte Hurt.
6.
Hannusen kam am nächsten Morgen, breitete etliche riesige Folien auf dem Küchentisch aus und diskutierte bis gegen Mittag mit Hurt. Millie, die sich in einem Zustand befand, in dem sie jede Art von Ablenkung als Wohltat empfand, belieferte die beiden Männer mit Kaffee und belegten Broten, und draußen im Garten lärmten Eri und Norman herum. Der Fremde verhielt sich mucksmäuschenstill, und man hätte ihn fast vergessen können. Das einzige, was Hurt und Millie davon abhielt, war die ständige Drohung, der sie nicht entkommen konnten.
Immerhin genossen sie diesen Einbruch der Normalität, und Millie stellte fest, daß sie sogar noch imstande war, herzhaft zu lachen. Es war Hannusen, der dieses Wunder zuwege brachte, indem er sich dumm stellte und so tat, als hielte er Millie für Hurts Frau.
Sogar Hurt mußte lächeln, obwohl er den jungen Mann durchschaute. Er war ein wenig beunruhigt über die Art, in der Hannusen seine Tochter anschaute. Eine Romanze war das letzte, was sie jetzt noch gebrauchen
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