1140 - Der Eindringling
konnten.
„Das reicht für heute", sagte Hannusen schließlich und rollte die Folien zusammen. „Mir scheint, du willst den ganzen Strand zum Brutgebiet erklären, Hurt. Ich fürchte aber, daß unsere Kunden ab und zu auch mal einen Zeh ins Wasser stecken wollen. Wir werden mal kurz hinüberfliegen und uns das vor Ort ansehen. Willst du nicht mitkommen?"
Diese Frage galt Millie, und ihr war deutlich anzusehen, daß sie nur zu gerne eingewilligt hätte.
„Das wird nicht gehen", sagte Hurt hastig. „Meiner Frau geht es nicht besonders, und wir können auch die Kleine nicht ohne Aufsicht lassen, nicht wahr, Millie?"
„Ja", murmelte Mildred Zimmermann widerstrebend.
Wie auf ein Stichwort erschien Tina in der Küche, vollständig angezogen und so munter, wie eine Frau in ihrem Alter überhaupt nur sein konnte.
„Habe ich dir nicht gesagt, daß du im Bett bleiben sollst?" fragte Hurt vorwurfsvoll.
„Dieser Anfall in der letzten Nacht - du mußt dich wirklich etwas mehr schonen!"
„Aber ...", Tina sah Hannusen und begriff. „Es ist nicht so schlimm. Mir war doch nur ein bißchen schwindelig. Eine Tasse Kaffee wird mich sicher wieder auf die Beine bringen."
Während sie das sagte, ging sie auf den Tisch zu, fing aber kurz vor dem Ziel zu schwanken an und schaffte es allem Anschein gerade noch rechtzeitig, einen Halt an Millie zu finden, die ihr entgegeneilte.
„Ich schaffe es schon", beteuerte sie.
„Du siehst es ja", sagte Hurt bedauernd zu Hannusen. „Einer von uns muß hier bleiben und sich um sie kümmern."
„Ja, da kann man nichts machen", stimmte Hannusen zu, aber irgendwie wurde Hurt das Gefühl nicht los, daß dieser Mann das Spiel durchschaute.
Am nächsten Morgen kam Hannusen wieder, und auch Norman erschien, aber dem Jungen folgten noch zwei Kinder, die sogleich ausschwärmten und den Garten zu untersuchen begannen. Hurt beobachtete diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Er mochte Kinder, aber er war keineswegs davon erbaut, wenn sie gleich scharenweise durch den Garten tobten. Und außerdem machte er sich Sorgen wegen des Fremden.
Millie konnte selbstverständlich auch an diesem Tag nicht mitfahren, denn Tina ging es immer noch „sehr schlecht", und dieses Spiel setzte sich über weitere Tage hinweg fort.
Während Hurt mit Hannusen und dessen Leuten durch die Gegend zog, gab Millie vor, die schwerkranke Tina zu pflegen, und gleichzeitig füllte sich" der Garten mit immer mehr Kindern. Tinas angebliche Krankheit gab Hurt schließlich jenen Schlüssel in die Hand, mit der sich zumindest diese eine Flut eindämmen ließ.
„Hör mal zu, Norman", sagte er eines Abends, indem er den Jungen zur Seite nahm.
„Das geht so nicht weiter. Du schleppst immer mehr Kinder hier herauf, und ihr macht alle zusammen einen Krach, bei dem man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann. Ich hätte dagegen gar nichts weiter einzuwenden, aber meine Frau verträgt das jetzt nicht."
„Heißt das, daß Eri nicht mehr mit uns spielen darf?" fragte Norman mißtrauisch.
„Natürlich darf sie. Aber nicht hier im Garten."
„Aber wo denn sonst?"
„Bei dir zu Hause, zum Beispiel."
Das war eine Idee, die dem Jungen nicht sehr gefiel, aber Norman mußte schließlich einsehen, daß er sich zu fügen hatte, denn Hurt blieb fest. Von da an wurde es wieder etwas ruhiger, und Eri war die meiste Zeit im Dorf unterwegs. Millie fand das nicht gut, aber sie mußte zugeben, daß das Kind im Augenblick überall sicherer aufgehoben war, als wenn sie sich in unmittelbarer Nähe dieses rätselhaften Fremden aufhielt.
Hannusen allerdings war kein kleiner Junge, den man einfach aus dem Garten weisen konnte, und Hurt wußte, daß er über kurz oder lang Schwierigkeiten mit diesem Mann bekommen würde. Er hatte Angst davor, und außerdem tat es ihm leid. Grude Hannusen imponierte ihm, und er hatte ihn gern. Es gab kaum einen Menschen, mit dem er so gerne Freundschaft geschlossen hätte. Aber davon konnte selbstverständlich keine Rede sein, solange der Fremde im Haus war und Hannusen glauben mußte, daß die Gassners irgendein Spiel mit ihm trieben.
Am dreißigsten November klingelte Hannusen wie üblich schon früh am Morgen an der altmodischen Haustür der Gassners, und als Hurt ihn hereinließ und ihn ansah, wußte er, daß der Augenblick der Entscheidung gekommen war. Er konnte es dem jungen Mann auch gar nicht übel nehmen, daß er allmählich die Geduld verlor.
„Komm herein", sagte er
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