1151 - Das Babel-Syndrom
fort.
Er war heilfroh, als er endlich den Parkeingang am Ende der Sphinx-Allee sah.
Gleichzeitig sank seine Hoffnung, Chthon dort wiederzufinden, auf einen Tiefpunkt. Der Crest-Park war riesig und durch künstliche Hügel, dichte Wäldchen und Terrassenrestaurants so unübersichtlich, daß zwei Personen sich dort stundenlang vergeblich suchen konnten.
Aber irgendwo mußte er schließlich mit der Suche anfangen ...
*
Zum Glück war der Park gleichsam von Spaziergängern leergefegt, sonst hätte Lassel Domaschek Aufsehen und vielleicht sogar Mißtrauen erregt, wie er mit lädiertem, schmutzigem Jackett und schlammigen Schuhen keuchend über die Wiesen und durch Blumenbeete wankte.
Ihm selbst war das inzwischen völlig gleichgültig. Er brauchte seine ganze Willenskraft, um sich voranzutreiben. Er verwünschte seine Bequemlichkeit, die ihn davon abgehalten hatte, einen Sport zu betreiben oder wenigstens größere Spaziergänge zu unternehmen.
Alles, wozu er sich jemals hatte aufraffen können, waren alle paar Tage frühmorgens ein paar halbherzige Atemübungen vor dem Frischluftspender seiner Schlafzelle gewesen.
Als er wieder einmal durch eine Strauchgruppe gebrochen war und sich einige zusätzliche Kratzer und Striemen im Gesicht geholt hatte, wankte er auf einen der säulenförmigen, stationären Info-Roboter zu, die überall im Park verteilt waren, schlang die Arme um ihn und sank langsam auf die Knie.
In seinen Ohren rauschte es, vor seinen Augen flimmerte alles und er hörte und fühlte ein hartes Pochen in der Brust. Sein Herz schien zerspringen zu wollen. Aber vielleicht starb er vorher an einem Gehirnschlag, denn auch unter seiner Schädeldecke hämmerte es bedrohlich.
„Hilf mir!" flehte er, als er wieder Luft bekam.
„Wer bist du?" fragte der Roboter.
„Das ist doch egal", gab Lassel zurück. „Ich brauche medizinische Hilfe, sonst sterbe ich an Herzinfarkt, Hirnschlag, Lungenriß und Wadenkrampf."
„Der nächste Robotkiosk mit Kurzstreckentransmitter ist in gerader Linie vierhundert Meter von meinem Standort entfernt", sagte der Roboter.
Domaschek zog sich ächzend an der Säule hoch.
„Ich brauche einen Arzt und keine Limonade!" keuchte er.
„Der Crest-Park ist einer der schönsten Parks von Terrania", sagte der Roboter auf. „Er wurde weitgehend nach dem Vorbild der Natur gestaltet und birgt allein siebzehn wertvolle Biotope, Biotope, Biotope, Biotope..."
„Schrott!" keuchte Domaschek und stieß sich von der Säule ab. „Alles ist nur noch Schrott!"
Seine Augen füllten sich mit Tränen des Selbstmitleids. Er schwankte.
„Endlich habe ich dich gefunden!" klang eine „Stimme" in seinem Bewußtsein auf.
„Warum bist du nicht früher gekommen, Lassel?"
„Chthon!" hauchte Domaschek und wäre beinahe in Ohnmacht gefallen.
Er drehte sich um und wäre dabei beinahe gestürzt. Hilfesuchend streckte er die Hände nach der Gestalt mit den unheimlichen Augen aus und stolperte auf sie zu.
„Bleib stehen!" warnte Chthon.
Es war zwecklos. Domascheks Füße gehorchten ihm nicht mehr. Haltlos stolperte er weiter und fiel gegen den Fremden.
Im selben Augenblick hatte er das Gefühl, als stülpte sich sein Innerstes nach außen. Er sah und hörte nichts mehr, schnappte nach Luft und glaubte, in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen.
Er fand sich auf dem Boden wieder, mit dem Gesicht im feuchten Gras. Ringsum hörte er das Zirpen von Grillen und Vogelgezwitscher. Die Sonne schien warm auf sein schweißverklebtes Haar.
Zaghaft hob er den Kopf und blinzelte.
Er befand sich tatsächlich im Crest-Park.
Mühsam drehte er sich um.
Da stand Chthon und blickte mit traurig wirkendem Blick auf ihn herab.
„Ich fürchtete schon, mich in einem fremden Universum wiederzufinden", sagte Lassel Domaschek stockend. „Was bist du?"
„Ich bin Chthon", erklärte der Fremde.
„Für einen Moment dachte ich, du wärst ein Schatten", sagte Lassel. „Aber das kann nicht sein, denn wenn du ein Schatten wärst, wo wäre dann der Körper, der den Schatten erzeugt. Es sei denn, jenseits eines Abgrundes von Raum und Zeit."
„Steh auf!" befahl Chthon.
Mühsam erhob sich Domaschek.
„Warum hast du auf mich gewartet? Du hast auf mich gewartet, nicht wahr?"
„Du warst das erste denkende Wesen, das ich nach meiner Ankunft traf. Dadurch wurde ich auf dich geprägt. Du bist mein Bezugspunkt, ohne den ich mich auf dieser Welt nicht zurechtfinden kann, jedenfalls für einige Zeit. Bring mich zu
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