1151 - Das Babel-Syndrom
unterschiedlichen Mentalitäten von mehr als einem Dutzend extraterrestrischer Völker einzustellen, Mißverständnisse und Streitigkeiten zwischen ihnen auf friedliche Weise beizulegen und ihr Zusammenleben in Garnaru harmonisch zu gestalten.
Er reckte sich unwillkürlich.
Eigentlich war das ganz enorm, was er bisher geleistet hatte. Man hätte das behördlicherseits mehr würdigen sollen, und auch Herzina hätte ihm größeren Respekt entgegenbringen können.
Lassel wischte diese Gedanken wieder beiseite, als es in seiner Nähe laut krachte.
Er fuhr erschrocken herum und sah, daß auf der Tipa-Riordan-Street, an der das Kommunikationszentrum lag, zwei Taxigleiter zusammengestoßen waren. Ringsum blieben die Passanten stehen und starrten ungläubig zum Ort des Geschehens.
Es war allerdings unglaublich, was da passiert war. Die Computer von Taxigleitern befanden sich stets unter Kontrolle des positronischen Verkehrsleitsystems, wie auch alle anderen Fahrzeuge. Das schloß die Möglichkeit eines Unfalls mit hundertprozentiger Sicherheit aus. So etwas konnte höchstens in einsamen Landstrichen vorkommen, die zur Durchquerung mit individuell gesteuerten Fahrzeugen freigegeben waren, niemals aber innerhalb einer Stadt.
Und doch war es geschehen.
Lassel ahnte, daß bald noch mehr derartige Zwischenfälle geschehen würden. Er hatte vorausgesehen, was sich anbahnte, als er die Fehlfunktion des Getränkeautomaten erlebt hatte. Darum suchte er schließlich nach Chthon, denn dieser schien zu ahnen, aus welcher Richtung Unheil auf die Menschheit zukam.
Er mußte ihn finden!
Und er mußte ihn zum HQ-Hanse bringen!
Domaschek wollte auf das nächste Transportband springen und sah, daß es nicht lief.
Es lief überhaupt kein Transportband mehr. Auch deren Steuerungscomputer waren offenbar ausgefallen oder funktionierten nicht programmgemäß.
Domaschek eilte die Tipa-Riordan-Street entlang bis zum Anson-Argyris-Place, bog von dort in die Kalak-Street ein - und warf sich im letzten Moment in die Portalnische einer Bank, bevor er von einem Frachtgleiter zermalmt werden konnte, der wenige Zentimeter über der Straße in Schlangenlinien daherkam.
Er hörte, während er am Boden lag, das entsetzte Geschrei zahlreicher Passanten und kurz darauf ein lautes Krachen und Klirren. Als er mit weichen Knien auf die Straße zurückkehrte, sah er, daß der Frachtgleiter zur Hälfte im Schaufenster der Weinhandlung Stephan Burger &Söhne steckte. An der Hauswand daneben lehnte ein an allen Gliedern zitternder Blue. Vor seinen Füßen lag eine in Scherben gegangene Flasche, um die sich eine Lache roter Flüssigkeit gebildet hatte. Domaschek erkannte in dem Blue Lellöy Nüttlün und grinste schadenfroh, bevor er sich wieder an den Ernst der Lage erinnerte.
Er eilte weiter. Irgendwo in benachbarten Straßen krachte es mehrmals. Sirenen heulten aus verschiedenen Richtungen. Unter diesen Umständen hätte das Zentrale Verkehrsleitsystem eigentlich alle Fahrzeuge anhalten müssen, doch offenbar waren ihre Computer nicht einmal mehr dazu fähig.
Domaschek hielt sich so dicht wie möglich an den Hauswänden und schielte ständig zu den zahlreichen Gleitern, die über die Fahrbahn schwebten, um rechtzeitig zu erkennen, wenn einer ausscherte und in seine Richtung raste.
Die anderen Passanten, in der Mehrzahl Außerirdische, schienen Ähnliches zu befürchten, denn auch sie drängten zu den Häuserfassaden, und mehrmals wurde Domaschek von einem körperlich Stärkeren grob weggestoßen. Ein Überschwerer versetzte ihm sogar einen Tritt in die Kehrseite.
Als er die Kreuzung von Sphinx-Allee und Kalak-Street erreichte, sah er in der Mitte ein unentwirrbares Knäuel von mindestens dreißig Gleitern. Schreien und Jammern kam aus den ineinander verkeilten Fahrzeugen. Blutende Fahrgäste versuchten, über die Dächer zu kriechen. Alle paar Sekunden krachte ein weiterer Gleiter in das Durcheinander Die fünf Ordnungsdienstler, die sich vergeblich bemühten, den Verunglückten zu helfen, waren vollauf damit beschäftigt, sich selbst in Sicherheit zu bringen.
Etwa fünfhundert Passanten standen ringsum an den Hauswänden und begleiteten jeden neuen Aufprall mit lauten Entsetzensschreien. Als ein Gleiter von dem Knäuel abprallte und mit einer Längsseite gegen eine Hauswand knallte, an der zwei Springer und fünf Unither standen, mußte Domaschek sich übergeben. Anschließend setzte er mit kalkweißem Gesicht und innerlich zitternd seinen Weg
Weitere Kostenlose Bücher