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1151 - Das Babel-Syndrom

Titel: 1151 - Das Babel-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Augen auf Chthon, dann sank er zurück, schlug die Hände vors Gesicht und weinte hemmungslos.
    Das „Siganesische Viertel", das in Wirklichkeit nur aus einem mittelgroßen, allein in einem ummauerten Park stehenden Wohnturm bestand, wirkte auf besondere Art gespenstisch. Tausende der winzigen Siga-Roboter, die den Bewohnern für alle möglichen Zwecke dienten, waren aus den Lüftungsöffnungen gekrochen und hingen in kleineren und größeren Gruppen an den Hauswänden.
    In mittlerer Höhe war ein Fenster aufgesprengt worden. Aus dem gezackten und geschwärzten Loch hatten Bewohner einen für Siganesen riesigen Plastikstreifen herausgehängt, auf dem in großen Blockbuchstaben ungelenk mit roter Farbe gemalt worden war: KANVOR IPEHN OOR KEINM.
    Domaschek vermutete, daß es als Bitte um Hilfe gemeint war. Aber entweder konnte er nicht mehr lesen oder die Siganesen vermochten keine Buchstaben mehr zu sinnvollen Wörtern zusammenzufügen. Dieser Ausdruck der Hilflosigkeit erschütterte ihn mehr als alles, was er bisher gesehen hatte.
    Rund zweihundert Meter weiter, kurz vor der Kreuzung der Artist-Queen-Street mit der Intersolar-Street, lernte Lassel Domaschek einen neuen Aspekt des Babel-Syndroms kennen.
    Er sah zuerst nur den Toten, der lang ausgestreckt auf dem Bürgersteig lag, den zerschmetterten Kopf auf einem stillstehenden Transportband. Es handelte sich um einen Humanoiden, aber es war nicht mehr zu erkennen, zu welchem der humanoiden Völker der bekannten Galaxis er gehörte.
    Domaschek vermutete, daß das Wesen aus großer Höhe auf die Straße gestürzt sei, bis er kurz darauf einen brennenden Schmerz auf der Schädeldecke verspürte und im gleichen Augenblick etwas die Glassit-Schaufensterscheibe des Spielwarengeschäfts schräg rechts von ihm durchschlug und in der Auslage explodierte.
    Lassel Domaschek blieb stehen, blickte entsetzt auf die in der Auslage angerichtete Verwüstung und betastete seinen Kopf. Er war allem Anschein nach unverletzt, aber1 ein Teil seines Haares war zu Asche verbrannt.
    „Willst du dich abschießen lassen, du Idiot!" vernahm er die mentale „Stimme" Chthons.
    „Geh endlich in Deckung!"
    Verwirrt und umständlich legte sich Domaschek auf den Bürgersteig. Vielleicht war diese lahme Reaktion sein Glück, denn einen Moment später erfolgten im Hauseingang schräg rechts von ihm zwei Explosionen, also genau dort, wohin ein Mensch mit einem Minimum an Video-Kriegserfahrung Deckung gesucht hätte.
    Erst jetzt begriff der Psychologe, was da geschah. Irgendwo in einem Gebäude befand sich ein Irrer, der mit einem Raketenkarabiner auf jeden Passanten schoß, den er zu Gesicht bekam. Eines seiner Explosivgeschosse hatte dem auf der Straße liegenden Humanoiden den Schädel zerschmettert - und um ein Haar wäre es ihm nicht besser ergangen.
    Domaschek sprang auf und rannte einfach geradeaus. Er wollte schreien, aber seine Kehle war wie zugeschnürt. Wieder krachten Explosionen, und diesmal hörte er hinterher kurz das schrille Pfeifen der transsonischen Geschosse. Lassel rannte ziellos weiter. Sein von Panik erfülltes Gehirn konnte keinen vernünftigen Gedanken fassen. Dann stieß er mit einem erstarrten Ordnungsdienstroboter zusammen und stürzte.
    Eine warme Flüssigkeit rann an den Innenseiten seiner Oberschenkel entlang. Er fühlte sich elend und seiner menschlichen Würde beraubt. Als sein Denken wieder einsetzte, wunderte er sich darüber, daß er noch lebte.
    Bis er sah, daß Chthon im Zickzackkurs mitten über die Straße lief. Er kletterte dabei über zusammengeschobene Gleiterwracks, und immer wieder wurde er von fingergroßen Rakgeschossen durchschlagen, die irgendwo hinter ihm explodierten.
    Der Unheimliche hatte das Feuer absichtlich auf sich gezogen, um Domaschek das Leben zu retten. Allerdings konnten die Geschosse ihm nichts schaden, da er nicht aus fester Materie bestand.
    Domaschek runzelte die Stirn.
    Aber weshalb kletterte Chthon dann über die Wracks?
    Im nächsten Moment sah er, daß der Unheimliche durchaus nicht immer über Hindernisse kletterte, sondern durch sie hindurchging, wenn ihm die konventionelle Methode aus unbekannten Gründen nicht behagte. Bei einem Knäuel übereinandergeschobener Gleiter angekommen, verschwand er auf der einen Seite und kam auf der anderen Seite wieder zum Vorschein - einfach aus einer unbeschädigten festen Metallplastikwand heraus.
    Als der Todesschütze sein Feuer einstellte, vielleicht, weil ihm die Munition ausgegangen war,

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