1153 - Die Gruftie-Girls
»Ich glaube nicht, dass Teil zwei der Schau so locker ablaufen wird. Die Vorbereitungen sind getroffen, jetzt werden sie vermutlich ihr wahres Gesicht zeigen.«
Damit rechnete ich auch. Julia und Wiebke ließen sich auch nicht lange bitten. Sie sprachen abwechselnd und redeten die Gäste schon vertrauter an mit »Kinder der Sünde« oder »Botschafter des Dunklen«.
Sie erinnerten an die große Familie, die sie jetzt alle waren, aber sie vergaßen auch nicht, dass es in der Familie hin und wieder Streit und besonders Störenfriede gab, die nichts in der Gemeinschaft zu suchen hatten.
Ich ahnte in etwa, worauf sie hinauswollte. Auch Suko wurde von ähnlichen Gedanken befallen, sonst hätte er nicht genickt.
»Und deshalb, liebe Freunde, darf es die Störenfriede nicht geben. Man muß sie bekehren oder ausschalten. Manche Menschen lassen sich nicht missionieren, und deshalb bleibt uns nur eins. Ausschalten!«
Es war das Stichwort.
Zwei neue Scheinwerfer warfen ihr Licht in den Keller hinein. Es knallte von der Decke her durch die Dunkelheit und konzentrierte sich auf einen Punkt im Keller.
Im Mittelpunkt des Kreises standen wir…
In den nächsten Sekunden passierte nichts. Die meisten Gäste mussten erst die Orientierung gewinnen und sich drehen oder zur Seite gehen, um den Ort zu sehen.
Wir waren Fremde. Wir passten nicht. Unsere Kleidung fiel hier völlig aus dem Rahmen.
Nur griff uns niemand an. Selbst Mona hielt sich zurück und sprach kein Wort.
Nick hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Er aber war der erste, bei dem sich etwas tat, denn wie auf ein geheimes Kommando hin drehte er sich um.
In der letzten Zeit hatten wir auf seinen Rücken geschaut, jetzt sahen wir sein Gesicht.
Der Ausdruck war böse geworden. Er lächelte zwar, nur war dieses Lächeln alles andere als freundlich, und es passierte noch etwas, das zwar unheimlich, mir jedoch nicht fremd war.
In seinen Augen veränderten sich die Pupillen, und ich konnte dieser Veränderung zuschauen. Sie ging langsam vonstatten. Da stieg aus der Tiefe etwas in die Höhe. Es war die umgesetzte Botschaft der beiden sündigen Engel.
Schwärze. Tief und lichtlos. Fast wie polierter Teer. Nur bei ihm, noch nicht bei den anderen. Aus diesem schwarzen Ausdruck hervor strahlte uns eine wahnsinnige Feindschaft entgegen.
Suko und ich hatten nicht mehr viel Zeit, uns etwas zu überlegen.
Wenn wir aus dieser Falle herauskommen wollten, dann war es jetzt der beste Zeitpunkt. In wenigen Sekunden würden es die Two Sins geschafft haben, die Gäste gegen uns aufzuhetzen. Wir waren nur zu zweit. Sie in der mehrfachen Übermacht. Sie würden uns zerschlagen, zertreten, denn sie gehorchten den sündigen Engeln und fühlten sich selbst so.
Nick wollte nach mir fassen.
Blitzschnell schlug ich seinen Arm zur Seite. Mit einem zweiten Schlag katapultierte ich ihn zurück. Er fiel bis gegen die Wand aus Leibern. Das sah ich nur nebenbei, denn ich schrie Suko bereits meinen Plan zu:
»Auf die Bühne!«
Neben einer schnellen Flucht durch den Ausgang war es unsere einzige Möglichkeit. Natürlich wollten wir nicht weg, das hätte überhaupt nichts gebracht, denn Julia und Wiebke hätten ihre Macht ausdehnen können. Das musste auf jeden Fall vermieden werden.
Der Weg zur Bühne war nicht lang. Auch wenn sie besetzt war und uns die Gäste im Weg standen. Wir mussten einige von ihnen zur Seite räumen. Zum Glück standen sie noch unter dem Einfluss des Gehörten, und so konnten wir uns mit einer gewissen Leichtigkeit durchkämpfen.
Wir packten es.
Plötzlich gab es keine überraschten Gesichter oder sperrige Körper mehr. Ich unterlief einen Typen, der mich aufhalten wollte, und hörte ihn dann hinter meinem Rücken wütend schreien.
Ein langer Sprung. Das schnelle Starten aus dem vollen Lauf heraus.
Dann hatte ich die Bühne erreicht. Ich prallte auf, hörte den dumpfen Klang unter meinen Füßen und stellte fest, dass dieser mit schwarzem Tuch bespannte Boden aus Holz bestand.
An das Scheinwerferlicht waren wir bereits gewöhnt. Jetzt gerieten wir in die beiden anderen Kreise hinein, die unsere Gestalten klar und deutlich aus dem Dunkel rissen.
Aber auch die der sündigen Engel!
Wir hatten sie mit unserer forschen Reaktion überrascht. Sie waren von den Mikrofonen weggewichen und wirkten verunsichert. Zum erstenmal sah ich sie richtig aus der Nähe. Es waren Menschen, junge Menschen noch, aber der Blick in ihre Augen sagte uns, dass die sich zu verändern
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