1153 - Die Gruftie-Girls
Schwestern fühlten sich nicht als Leichen, aber sie waren anders als die übrigen Menschen. Sie nickten sich zu und umarmten sich.
Sie mussten es tun. Es war für sie ein Ritual. Ohne es ging es nicht, da kannten sie sich aus.
Die Schwärze blieb in ihren Augen, und sie blieb es auch, als die Türglocke anschlug.
Es war kein normales Klingeln. Weder laut noch schrill, einfach anders. Ein Gong. Tief und leicht hallend, als hätte jemand in einer Krypta eine Glocke angeschlagen.
Sie lösten sich voneinander.
»Er kommt«, flüsterte Julia.
»Ja, er kommt zur Sünde.« Wiebke kicherte leise. Sie war manchmal etwas kindlicher als ihre um drei Jahre ältere Schwester.
Mit einem wissenden Lächeln ging Julia auf die Tür zu, um dem Besucher zu öffnen…
***
Suko schüttelte nach dem Niesen den Kopf und strich durch sein Gesicht. Er war vom Strahl der Frühlingssonne gekitzelt und auch mitten in seiner Frage unterbrochen worden, die sich um den letzten Fall drehte, den ich zusammen mit Bill Conolly erlebt hatte. Da war es um eine Person gegangen, die sich Prinzessin Blutleer nannte, aber nicht so blutleer bleiben wollte, denn sie war als Vampirin auf die Jagd gegangen, und wir hatten sie schließlich auf einer Kart-Bahn stellen und ihr den Garaus machen können, um es etwas vornehmer auszudrücken.
»Noch mal, John.«
»Bitte.«
»Du weißt also nicht, wie es kam, dass diese Gunhilla zu einer Blutsaugerin degenerierte und wer sie nach so langer Zeit wiedererweckt hat?«
»Nein, das weiß ich nicht.«
»Du hast auch keinen Verdacht?«
Ich wiegte die Schultern. »Keinen konkreten. Es muss jemand gewesen sein, der sich mit Vampiren auskennt.«
Suko sah mich nachdenklich an. »Viele Personen gibt es da wohl nicht«, erklärte er.
»Das stimmt schon. Und deshalb zerbreche ich mir auch nicht den Kopf, mein Lieber.«
»Das wundert mich aber.«
Ich winkte ab. »Was soll das denn? Es ist ganz einfach, denke ich mal. Wenn nichts mehr hilft, was deine Gedanken in die richtige Form bringt, dann steht zum Schluss nur ein Name ganz oben auf der Liste. Und der leuchtet mit einem großen blutroten D auf der Stirn.«
»Also Will Mallmann, alias Dracula II.«
»Genau der.«
Suko schwieg zunächst, dann nickte er langsam. Wahrscheinlich dachte er ebenso wie ich. Dracula II war der selbsternannte König der Vampire. Für ihn gab es kein anderes Ziel, als die Herrschaft der Blutsauger in dieser Welt. Deshalb war er unterwegs. Deshalb suchte er alte Orte auf, wo es die verdammten Bluttrinker noch gab. Die meisten von ihnen lagen in einem tiefen Schlaf und lauerten nur darauf, wiedererweckt zu werden. Das konnte bei Gunhilla auch geschehen sein. Wir forschten nicht weiter nach, auch weil wir keine Zeit dafür hatten. Wir nahmen es einfach hin und damit basta. Irgendwann würden wir wieder auf Dracula II treffen und vielleicht Bescheid wissen.
Die Stunden der vergangenen Nacht hatten sich wirklich zu einem Horrortrip entwickelt, in dem zwei Menschen ihr Leben verloren hatten.
Zum einen Bill Conollys Bekannter, der ihn überhaupt erst auf den Fall aufmerksam gemacht hatte - er war durch den Biss zu einem Vampir geworden, den Bill hatte letztendlich mit einer Kugel erlösen müssen -, und dann hatte es da noch einen Mitarbeiter der Kart-Bahn gegeben. Er war durch den Hieb eines Beils gestorben, das Gunhilla in seinen Körper geschlagen hatte. Ihre Geisel, mit der sie zusammen von oben herab auf die Kart-Bahn gefallen war, hatte nur leichte Verletzungen abbekommen, aber die beiden Toten reichten aus.
Ich war wieder vom Regen in die Traufe gekommen. Der Fall in Russland hing mir noch in den Knochen. Dabei hatte ich gedacht, mich etwas ausruhen zu können.
Nichts, denn mein Schicksal war es wohl, immer wieder hineinzuspringen in den See der schwarzmagischen Gestalten, um sie an die Oberfläche zu holen, damit ich sie bekämpfen konnte.
Suko war nicht mit in Russland gewesen, und auch Gunhilla kannte er nur vom Hörensagen. So hatten wir uns an diesem späten Nachmittag in ein Lokal verzogen, um in Ruhe miteinander sprechen zu können.
Außerdem musste ich ihn informieren.
Das Lokal gab es noch nicht lange. Es war kein Pub und auch kein Restaurant oder Bistro. Es war eine Mischung aus beidem. Man konnte trinken, und man konnte auch etwas zu essen bekommen. Zumeist Suppen und kleinere Snacks, denn sie waren in der letzten Zeit in geworden. Die Suppen gab es in allen Variationen. Die Rezepte stammten aus der gesamten Welt,
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