1153 - Hölle auf Erden
Höhe angewachsenen Kuppeln waren durch dicke unterirdische beziehungsweise sublunare Stränge miteinander verbunden, in denen die gleiche hellgelbe Substanz pulsierte wie in den Parasitär-Enklaven. Sie hatten sich als ebenso unangreifbar erwiesen wie die Kuppeln selbst. Es schien, als wäre es das Ziel der fremdartigen Lebensform, den gesamten Planeten und seinen Trabanten netzartig zu umspannen.
Fast im gleichen Maß, wie die Kuppeln sich miteinander vernetzten, wuchsen die von den Dordon kontrollierten Gebiete zusammen. Die noch nicht befallenen Verantwortlichen der LFT und der Kosmischen Hanse hatten den Überblick weitgehend verloren. Es gab wahrscheinlich nur noch wenige Millionen Menschen, die noch keine Opfer der Parasitär-Enklaven waren. Die zirka zweihundert Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker waren mühsam in den letzten freien Gebieten aufgespürt und nach Cadiz gebracht worden.
Soeben hatte Geoffry Waringer einen weiteren Lösungsvorschlag als undurchführbar ablehnen müssen. Allmählich griffen Mutlosigkeit und Verzweiflung um sich.
Booker blickte zu Chthon. Da er vorher in helles Kunstlicht gesehen hatte, nahm er von dem Unheimlichen nur das bleiche Gesicht mit den schwarzen Augäpfeln und den weißen Pupillen wahr.
Er kniff die Augen zusammen.
Neben Chthons Gesicht bewegte sich etwas Rotes. Das konnte nur der Schulterumhang von Digitalis Aura sein. Nach einigen Sekunden sah Booker auch den Siganesen selbst.
Er diskutierte mit Chthon und gestikulierte heftig dabei, aufrecht auf seinem Schwebesessel stehend.
Plötzlich löste sich der Schwebesessel von Chthon und glitt auf das Vortragspult zu, hinter dem noch immer Waringer stand. Dort hielt er an.
Der Siganese warf die Arme hoch und rief über seinen auf maximale Lautstärke geschalteten Stimmverstärker: „Ich hab's! Ich hab's!"
„Wir hören", sagte Waringer müde. „Digitalis Aura hat das Wort."
Aura senkte die Arme und räusperte sich, dann erklärte er voller Eifer: „Bisher konnte keine Lösung des Problems gefunden werden, weil ihr alle es aus eurer Perspektive von körperlichen Riesen betrachtet habt. Ich will nicht unbescheiden erscheinen, aber mir ist klar geworden, daß geistige Größe, ich meine die wahre geistige Größe, nur von den körperlich Kleinen erreicht werden kann."
Niemand lachte oder rief eine witzige Bemerkung, ein deutliches Zeichen für die allgemeine depressive Stimmung.
„Ich habe Chthon befragt", fuhr Aura rot. „Sein Nebelwams, wie unser guter Bookie Tern es taufte, ist in Wirklichkeit ein hyperphysikalischer Kokon, ohne den der vierdimensionale Schatten nicht im Einsteinraum existieren könnte.
Dieser hyperphysikalische Kokon ist aber deshalb auch in der Lage, einen kleinen materiellen Gegenstand für kurze Zeit festzuhalten, der von einem fünfdimensionalen Kokon umschlossen wird. Dieser fünfdimensionale Kokon oder Zeitkokon wurde von mir erfunden. Er kann mit Hilfe eines Mini-ATGS in das Nebelwams Chthon projiziert werden und sich dort genau zwölf Minuten und neun Sekunden halten, indem er das Nebelwams anzapft und damit Erhaltungsenergie gewinnt."
Er hatte seine Worte nur so hervorgesprudelt und mußte atemlos eine Pause einlegen.
„Ich begreife, worauf du hinauswillst, Digitalis", warf Geoffry Waringer ein. „Dein Zeitkokon soll einen kleinen Druckbehälter mit Röteln-Viren enthalten. Das alles funktioniert, und es wundert mich, daß vor dir niemand auf diese Idee kam.
Selbstverständlich werden wir genau so vorgehen, und wir werden einen winzigen Sprengsatz mit positronischem Zünder in den Behälter installieren. Ich halte es nur für fraglich, ob der Zünder innerhalb einer Parasitär-Enklave funktioniert."
„Nein."
Der Einwurf war von Chthon gekommen und nur mental vernehmbar gewesen.
„Das hatte ich befürchtet", erwiderte Waringer.
„In den Enklaven herrschen die Bedingungen eines fremden Universums", fügte der Unheimliche erläuternd hinzu.
„Deshalb wird der Druckbehälter mit einem Schraubverschluß versehen sein", erklärte Aura selbstzufrieden.
„Ein Schatten kann keinen Schraubverschluß aufdrehen", warf jemand aus dem Auditorium ein.
Digitalis stemmte seine Fäuste in die Seiten.
„Bin ich etwa ein Schatten? Ich bin zwar klein, aber sehr materiell. Außerdem bin ich sehr kräftig. Ich stemme mühelos eine Walnuß, also bekomme ich auch einen gut gefetteten Schraubverschluß auf. Und ich weiß genau, wovon ich rede. Schließlich bin ich ein erfolgreicher
Weitere Kostenlose Bücher