1154 - Dämonen-Trauer
Seite her an. Er strich mit der Hand durch das dichte schwarze Haar. Sein scharf gezeichnetes Profil hätte auch ein Scherenschnitt sein können. Auf eine gewisse Art und Weise war er ein attraktiver Mann.
Der dunkle umhangförmige Mantel wirkte ein wenig antiquiert, aber er passte zu ihm. Ihn schien eine andere Zeit entlassen zu haben. Für mich war er zeitlos, obwohl er menschliche Eltern gehabt hatte. Ich wollte jetzt nicht an sein Schicksal denken, von dem ich auch nicht alle Details wusste, aber mir war bekannt, dass er einen Sohn, Elohim, hatte, und den hatte er mit Lilith gezeugt, einer Gestalt, die das weibliche Pendant zu Luzifer war und die auch von gewissen Menschen als erste Hure des Himmels bezeichnet wurde.
»Bitte, was ist mit ihm? Wo kommt er her? Lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
»Tja, wenn ich es mit einem Satz sagen soll, dann ist oder war er eigentlich eine traurige Gestalt. Aber das muss ich dir nicht erzählen, du wirst es gehört haben.«
»Durch sein Heulen, meinst du?«
»Richtig.«
»Warum jammerte und heulte er?«
»Es war ein Ausdruck der Trauer, John. Er war traurig, das musste raus, wie bei einem Menschen.«
»Obwohl er kein Mensch ist.«
Raniel ließ sich noch Zeit. Er hob die Schultern und sagte mit leiser Stimme: »Was würdest du von jemand halten, der sich nicht entscheiden kann, ob er ein Mensch ist oder nicht? Oder nicht so recht weiß, ob er tot oder lebendig ist und deshalb nach einem Weg sucht, um in das richtige Reich hineinzugelangen?«
Ich blies meine Wangen auf. »Das ist ein hartes Stück, ehrlich. Kein Mensch, auch kein Engel, verdammt, was ist er dann?«
Raniel blickte noch immer zu Boden. »Er ist eine gewisse Abart von Zombie.«
»0 nein!«
»Doch, John. Er ist jemand, der zurückkehrte aus einem Reich, das ihn schon geschluckt hatte.«
Der Gerechte hatte nicht viel gesagt, doch das wenige musste ich erst verkraften. Deshalb wiederholte ich seine Erklärung mit meinen Worten: »Ein Untoter, ein vernichteter Dämon kehrt als Zombie zurück. Ist das nicht paradox?«
»In der Regel schon, John.«
»Wunderbar.« Ich lächelte den Gerechten an. »Wo, bitte schön, bleibt das Aber?«
»Das kommt nicht.«
»Ach.« Ich war überrascht, und es fiel mir auch keine andere Antwort ein. So kannte ich Raniel eigentlich nicht. Er war immer jemand gewesen, der sich nie unsicher gezeigt hatte. Jetzt wirkte er auf mich wie ein Verlierer.
Er hatte meine Reaktion bemerkt und lächelte mir zu. »Schau nicht so verwundert, John. Es stimmt. Ich selbst stehe vor einem großen Problem, das ich nicht allein lösen kann oder will. Nur deshalb habe ich mich an dich gewandt, dir einige Hinweise gegeben und dich praktisch an der langen Leine geführt.«
»Tja«, erwiderte ich noch immer leicht verwundert. »Das hat sich angehört, als brauchtest du Hilfe.«
Seine dunklen Augen erhielten einen ernsten Ausdruck. Und so sah er mich auch an. »Ja, so ist es. Du hast es ausgesprochen. Es geht mir um deine Hilfe gegen Feinde, die Dämonen sind oder waren. Sie waren zudem vernichtet und sind trotzdem wieder hier. Das ist es, was ich nicht fassen kann, John.«
Ich auch nicht, wenn ich ehrlich war. Aber es gab da durchaus Probleme für mich. Ich sortierte meine Gedanken und sprach dabei weiter. »Mal langsam, Raniel. Du hast von Wesen gesprochen, die schon tot gewesen sind. Oder vernichtet.«
»Genau.«
»Und es waren Dämonen?«
»Auch.«
»Keine Engel? Oder abtrünnige Engel, sündige Engel, wie immer man sie nennen mag?«
»Nein, das sehe ich nicht so. Für mich sind es einfach Dämonen. Ich bin mir deshalb so sicher, weil ich es gewesen bin, der sie getötet hat. Ja, sie sind durch mich und meine Waffe gestorben oder vernichtet worden. Nun sind sie wieder da. Das ist es, was mich vor große Probleme stellt. Ich weiß nicht, wie viele noch kommen werden. Das hier ist einer, aber damit ist es nicht getan.«
»Kommen werden«, wiederholte ich und schüttelte den Kopf. »Woher kommen sie denn?«
»Die Frage ist gut, John.«
»Kann ich mir denken. Du wirst sie dir auch schon des Öfteren gestellt haben.«
»Ich habe leider keine Antwort gefunden. Ich muss zugeben, dass ich es nicht weiß. Sie sind nach ihrer Vernichtung nicht völlig verschwunden. Sie waren nur weg, aber ich habe keine Ahnung, wohin sie sich gewandt haben. Das ist ja mein großes Problem. Jemand muss den Toten ein Tor geöffnet haben, um sie wieder in diese Welt zurückkehren zu lassen. Und hier
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