1154 - Dämonen-Trauer
haben sie ihre Probleme, was du sehr gut gehört hast. Nicht grundlos haben sie geheult und geklagt. Sie waren eingehüllt in ihre Trauer. Da frage ich mich nach dem Grund. Weshalb haben sie so gejammert und schrieen? Was steckt dahinter? Waren sie deshalb so fertig, weil sie ihre besondere Totenwelt haben verlassen müssen und sich nun in einer Umgebung bewegten, in der sie sich nicht mehr zurechtfanden?« Er zuckte die Achseln. »Es ist alles möglich, aber es ist auch vieles reine Spekulation. Ich möchte einfach nur die Wahrheit herausfinden, das ist alles. Und dabei solltest du mir helfen. Ich wüsste keinen anderen, der mir dabei zur Seite stehen könnte.«
»Das habe ich verstanden«, erklärte ich. »Natürlich bin ich dabei, obwohl ich es noch immer nicht fassen kann. Du gehst davon aus, dass es wirklich Dämonen sind und keine Wesen, die im entferntesten Sinne zu dir gehören, also abtrünnige Engel gewesen sind?«
Der Gerechte winkte ab. »Reite nicht darauf herum, John. Im Prinzip sind alle bösen Wesen abtrünnige Engel, wenn du an den Mythos denkst, der sich zu Beginn deiner Zeitrechnung gebildet hat. Es ist eben alles eine Entwicklung gewesen. Eine Evolution im dämonischen Sinne. Dabei bleibe ich auch.«
»Und ich kann dir nicht helfen.« Den Satz hatte ich bewusst gesagt, um Raniel noch stärker aus der Reserve zu locken, doch er gab mir darauf keine direkte Antwort.
»Wir werden uns bestimmt auf die Suche machen müssen, John. Davon gehe ich einfach aus.«
»Ja, ich mittlerweile auch. Aber einer liegt vor unseren Füßen. Und den habe ich durch mein Kreuz vernichtet, wobei das auch nicht der richtige Ausdruck ist. Er wurde zu Stein oder hat sich verhärtet. Das alles habe ich hingenommen, ohne eine Erklärung dafür zu haben. Warum ist er versteinert? Warum reagierte mein Kreuz so medusenhaft bei ihm, und was ist er vorher gewesen? Woraus bestand sein Körper? Soll ich sagen, aus Fleisch und Blut?«
»Das wäre wohl falsch.«
»Sehr richtig. Damit habe ich auch gerechnet. Nur - was ist deine Meinung dazu?«
Der Gerechte zeigte sich ratlos. »Ich kann dir keine Antwort geben, die dich zufrieden stellt. Du musst denken, dass auch ich von ihrem Erscheinen überrascht worden bin. Wir beide müssen uns erst zurechtfinden, alles andere kannst du vergessen. Vorläufig zumindest.«
Das wollte ich auch. Trotzdem deutete ich auf die leblose Gestalt. »Mal eine Frage, Raniel. Was geschieht mit ihm? Willst du ihn als Mahnmal hier auf der Insel liegen lassen?«
»Nein, das werde ich nicht. Er hat zu viel Unheil angerichtet, und wir müssen verhindern, dass noch irgendetwas in dieser Richtung geschieht. Es war gut, dass er versteinerte, John, aber ich möchte doch nichts riskieren.«
»Du willst ihn endgültig vernichten?«
»Das hatte ich vor.«
»Okay, das ist dein Problem und bestimmt auch richtig, aber wie willst du es machen?«
Raniel lächelte und schlug seinen langen Umhang zurück. Schon als er die Bewegung durchführte, war mir klar, was er vorhatte. Raniel trat nie unbewaffnet auf. Er besaß eine besondere Waffe, und die holte er langsam hervor.
Meine Augen weiteten sich, als ich das gläserne Schwert sah…
***
Im ersten Augenblick war für Ben Adams wichtig gewesen, dass sich der Unheimliche nicht mehr bewegte. Er war auf der Stelle stehen geblieben, und seine Arme hatte er noch in die Höhe gerissen.
So wirkte er wie jemand, der von unsichtbaren Seilen gehalten wurde, die sich aus der tiefen Schwärze gelöst hatten.
Adams hatte noch immer keine Erklärung für diesen verdammten Nebel gefunden. Er dachte auch nicht darüber nach, weil er sich mit sich selbst beschäftigen musste. Es gab an seinem Körper keine Stelle, die nicht schmerzte. Alles tat ihm weh, doch auf der anderen Seite musste er diesem einmaligen Phänomen zuschauen, das den gesamten Friedhof in seinen Bann gezogen hatte.
Woher war die dichte Schwärze gekommen? Aus dem Boden? Ja, sie musste aus dem Boden gestiegen sein. Eine andere Erklärung gab es für Ben nicht. Es war ein böses Omen und zugleich ein lautloses Grauen, das sich auf dem Friedhof breitmachte und alles andere verschluckte.
Kälte und Hitze durchströmten Adams. Er war der einsame Beobachter, und er fürchtete sich vor der Schwärze, obwohl sie noch nicht bis zu ihm vorgedrungen war und ihm auch nichts getan hatte. Sie war nach wie vor auf den anderen konzentriert, der jetzt nicht mehr jammerte und klagte. Er war voll und ganz betäubt worden und
Weitere Kostenlose Bücher