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1155 - Der Erwecker

Titel: 1155 - Der Erwecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Ortnet damals bei ihrer Hochzeit zu ihnen gesagt hatte.
    „Ihr seid jetzt für alle Zeiten vereint, und in der nachfolgenden kirchlichen Trauung werdet ihr euer Seelenbündnis bestätigen!"
    Jetzt schien die Heimat unendlich weit entfernt, Cascoose Spring zu einem nicht wahrnehmbaren Punkt zusammengeschrumpft. Es war der Graue Korridor, der es verursachte. Er ließ das Vorstellungsvermögen der Menschen nicht in den früheren Bahnen weiterlaufen.
    Und mancher Mensch, wußte Kourl, sah nur den Freitod als einzigen Ausweg.
    Der Exophysiker machte den entscheidenden Schritt in die bodenlose Leere. Ein kaum wahrnehmbares Atmen drang an seine Ohren. Es kam von Mister Young. Mattras stürzte hinab, und die Lampe vollführte einen gespenstischen Tanz auf dem Boden, der langsam näherkam.
    Dreißig Meter tiefer setzte Kourl auf. Seine Beine federten, und er stieß sich ab und segelte fast dieselbe Entfernung in einem langgestreckten Bogen dahin, bis er erneut Boden unter den Füßen spürte. Die kinetische Energie war verbraucht, und der Exophysiker schwankte leicht und drehte sich um.
    Mister Young war ihm gefolgt. Sein Begleiter kam in einem eleganten Sprung herab. Er spreizte die Gliedmaßen, und wieder hörte Kourl über die Lautsprecher in seinem Helm das Atmen. Ein Schatten gegen den grauen Hintergrund glitt heran und wirbelte bei der Landung eine kleine Staubwolke auf. Regolithstaub.
    Kourl Mattras blickte in die Ferne. Knapp fünfzig Kilometer entfernt hob sich der Kraterwall des Kopernikus annähernd viertausend Meter in die Höhe. Der Wall ragte nur unwesentlich über das Niveau der Mondoberfläche hinaus. Kourl befand sich im Innern des Kraters auf seinem Grund, und er war froh, daß ihn zusätzliche vier Kilometer von dem grauen, fremdartigen Bereich trennten, aus dem eine Gefahr nach der anderen zu ihnen kam.
    Nicht hierher, nicht auf den Mond. Die Plagen suchten die Erde heim. Es gab keine Zweifel, daß Vishna dahintersteckte. Der Name dieses teuflischen Wesens verursachte zügellose Wut in Kourl.
    Hinter dem Exophysiker ragte eine der drei Bergketten des Zentralmassivs im Kopernikus-Krater empor. Zweitausend Meter lagen die höchsten Spitzen über dem Grund. Die Felskante, über die er gesprungen war, gehörte zu dem südlichsten Ausläufer des Levis-Massivs.
    Kourl hüpfte in weiten Sprüngen davon, und sein Begleiter folgte ihm still. Solange Kourl die Lampe eingeschaltet ließ, würden sie sich nicht aus den Augen verlieren.
    Nach einem halben Kilometer hatten sie die kleine, kaum sichtbare Schleuse erreicht, die hinab unter den Mondboden führte. Mattras betätigte den Öffnungskontakt und verfolgte, wie das Außenschott geräuschlos aufglitt und ein akustisches Signal in seinem Helmempfänger darauf hinwies, daß er eintreten konnte.
    Nochmals wandte er sich um und blickte empor.
    Über den Levisgipfeln ging gerade die Erde auf. Der Vorgang war so düster, so angsteinflößend, daß Kourl beim ersten Mal unwillkürlich weggesehen hatte. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt.
    Die Erde war dunkelblau bis schwarz. Sol fehlte, die den Planeten erhellte. Die Kunstsonnen, die die Erde wärmten, konzentrierten ihr Licht auf den nahen Bereich der Oberfläche. Sie brachten Terra nicht zum Leuchten.
    Die Erde war dunkler als der graue und regenbogenfarbene Hintergrund. Wie erstorben schob sie sich über die Mondberge. Die wenigen, Licht reflektierenden Wolkenbänke nahmen sich aus, als seien es Fremdkörper.
    Es kann nicht mehr lange so weitergehen, dachte Kourl Mattras. Irgendwann wird es mit uns allen zu Ende sein. Die Hoffnungen der Menschen gingen mit jedem Tag zurück. Die Angst schlich wie eine Seuche umher. Wäre nicht ein Großteil der Menschheit standhaft und gefaßt geblieben, hätte es bereits in den vergangenen Wochen Mord und Totschlag gegeben.
    „Wer weiß", seufzte Kourl. „Vielleicht kommt das bald auf uns zu. Vielleicht werden wir uns dann gegenseitig zerfleischen. Morgen. Oder nächste Woche!"
    Wieder gab Mister Young keinen Kommentar ab. Schweigend folgte er dem Exophysiker in die Schleuse, und das sich schließende Schott entzog sie der Trostlosigkeit der Außenwelt. Hier, im Innern des Mondes, war die Welt im Augenblick noch in Ordnung.
     
    *
     
    Das erste, was Kourl Mattras im Verbindungsgang zwischen der Desinfektionskammer und dem Depot für Raumanzüge zu Gesicht bekam, war ein Mann mittleren Alters. Er trug ein Gewand, das den Exophysiker an einen australischen Lori erinnerte.

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