1158 - Kalt wie der Tod
Aussehen. Das Gesicht hätte bleich sein müssen, was auch zum Teil der Fall war, aber es zeigte auch eine andere Farbvariante.
Flecken, die sich in einer blauschwarzen Farbe ausbreiteten. Am Hals, am Kinn und an den Wangen.
Harry schaute hoch zum Fenster. Die seltsamen Lianen oder Schnüre waren verschwunden, auch John Sinclairs Gestalt war nicht am Fenster zu sehen. Dafür kehrte Hans Illig zurück. Er hatte eine Leiter mitgebracht und schleppte sie keuchend heran. Als er sah, was inzwischen passiert war, ließ er sie einfach fallen und blieb neben Harry stehen, der auf dem Boden kniete.
»Was ist denn passiert?«, fragte er.
»Sehen Sie doch!«
»Ist er tot?«
»Ich weiß es nicht.«
Harry fühlte an der linken Halsseite nach. Kein Zucken der Ader, keinen Schlag. Auch die Augen des Mannes zeigten den starren und irgendwie anklagenden Blick eines Toten.
Walter Pohland trug ein Hemd und eine Hose. Am Hemd standen die drei oberen Knöpfe offen.
Harry erweiterte den Spalt noch mehr, weil ihm etwas Bestimmtes eingefallen war und er nachschauen wollte, ob er mit seinem Verdacht richtig lag.
Ja, da waren die Flecken auch.
Dunkelblau malten sie sich auf der Brust ab. Sie mussten dort entstanden sein, wo die verdammten Lianen den Mann erwischt hatten. Es war gewissermaßen ihr Erbe.
Harry überwand sich selbst, als er den rechten Daumen auf eine der Stellen drückte. Da fühlte sich die Haut kalt an. Hart und sogar recht brüchig.
Er nahm die Tatsache hin, doch sie blieb für ihn ein Rätsel.
»Wie konnte Walter Pohland sterben?«, flüsterte Hans Illig. »Sagen Sie, wie war das möglich?«
»Ich weiß es leider nicht.«
»In seinem Haus, nicht?«
»Wo sonst?« Harry stand auf. »Bitte, tun Sie mir einen Gefallen, Herr Illig. Gehen Sie und besorgen Sie eine Decke. Ich möchte den Mann hier nicht so offen liegen lassen.«
»Und was haben Sie vor?«
Harry drehte sich der Haustür zu. »Ich schaue mich dort mal genauer um.«
»Aber da ist doch Ihr Freund.«
»Eben.«
»Und warum?«
»Es gefällt mir einfach nicht, dass er noch nichts hat von sich hören lassen…«
»Ja, ja, verstehe schon«, flüsterte Hans Illig und fügte hinzu: »Mein Gott, wo soll das alles nur enden…?«
***
Die Schlinge hatte mich erwischt, und sie hatte sich um meinen Hals gedreht wie die eines Henkers.
Ich schalt mich selbst einen Narren, dass ich nicht in die Höhe geleuchtet hatte. Daran war nun mal nichts zu ändern. Ich hätte es je getan, nur zu spät.
Ich spürte den Ruck.
Da wurde nicht nur die Haut zusammengezogen, sondern die verdammte Schlinge raubte mir auch die Luft. Plötzlich waren die Beretta und die Lampe hinderlich geworden. Um mich zu wehren, wollte ich beide Hände frei haben.
Ich warf beides zu Boden, hob die Arme an und umfasste mit meinen Händen das von oben herabhängende feuchte Seil. Ich setzte Kraft ein, um die andere Person, die im Schutz der Dunkelheit hockte aus dem Gebälk zu zerren.
Es klappte nicht.
Plötzlich fiel wieder etwas von oben herab. Dieses seltsame Seil sah aus, als wäre es dabei, sich auf dem Weg nach unten aufzuhalten, und es war zielgenau geschleudert worden, denn es erwischte mein rechtes Handgelenk und saugte sich daran fest.
Im Nu wurde dieser Hand die Kraft geraubt. Ich schaffte es nicht mehr, sie auch weiterhin zur Faust zu ballen und so das erste Seil zu umklammern. Der Gegendruck war einfach zu mächtig. Als hätte sich ein krummer Haken in mein dünnes Fleisch gebohrt, so hatte sich das Ende des Seils festgesaugt.
Dann riss es meine Hand weg.
Ich war machtlos. Der Arm wurde mir zur Seite geschleudert. Nur noch mit einer Faust umklammerte ich das erste Seil. Ich verlegte meine Kraft in den linken Arm, um die Person aus dem Gebälk in die Tiefe zu holen.
Es ging nicht. Sie war zu stark. Ihr Widerstand einfach zu heftig. Und sie schickte einen weiteren schmalen und feuchten Gruß von oben her zu mir herab.
Genau gezielt, saugte sich das verdammte Ende des Seils an meinem linken Handrücken fest. Der wütende Fluch erstarb mir auf den Lippen. Ich War nicht mehr in der Lage, das erste Seil zu halten, denn jetzt wurde mir der Arm nach links gerissen.
Plötzlich war ich hilflos geworden.
Ein dünner Strick umklammerte wie eine feuchte dünne Zunge meinen Hals. Zum Glück nicht so stark, als dass ich keine Luft mehr hätte bekommen können, aber es reichte aus, um mich zu behindern und mir einen Teil der Kraft zu nehmen.
Ich stand auch nicht mehr normal auf dem
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