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116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

Titel: 116 Chinesen oder so: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Heams-Ogus
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Flottille nur vorübergehend gestört worden, in jenen Tagen, als ohnehin niemand wusste, dass Mussolini sich in der Nähe aufgehalten hatte. Niemand, auch er nicht. Nun war er erneut hier auf dem Sasso, inmitten einer kleinen Gruppe aus verstörten Menschen. Ein paar hundert Stunden später. Aber hinter ihnen lagen diese leeren Monate, deshalb wussten sie nur zu gut, dass es sich bei der Zeit nicht um eine Angelegenheit von Dauer, sondern von Dichte handelte. Und dicht, das waren diese Stunden gewesen. Mussolinis Flucht, die Verschärfung der Aktionen der deutschen Truppen, das Nahe hatte das weit Entfernte berührt, dann hatte es kehrtgemacht und war über der Region zerschellt. Die Farbe der Dämmerungen vermochte das nicht zu ändern, aber es prallte trotzdem mit den Tagen der verlorenen Menschen zusammen.
    Dann richteten sie sich nach und nach wieder auf. Endlich waren sie weit weg. Sie waren Chinesen, die aus einem italienischen Kloster geflohen waren, und vor ihnen ging die Sonne unter. Sie blieben in dem Wald aus Weißtannen stehen, in den sie nach den Eichenwäldern gelangt waren, und blickten ins Tal. Mimosen, soweit das Auge reichte, hießen den Herbst und die Rückkehr der Raserei willkommen. Auf diese Weise hatten sie ihren Status als örtliche Besonderheit gegen den von endgültig Gelöschten eingetauscht. Hinter ihnen lagen Monate, in denen sie zwischen dem Camerone und der Casa San Gabriele hin- und hergewandert waren, Monate, in denen sie ständig auf Isolas Wegen unterwegs gewesen waren und getestet hatten, wie lang die Leine war, Monate, in denen sie hin und wieder einen Blick aufgefangen und gegen dessen Ausweichen angekämpft hatten, hinter seine Geheimnisse gekommen waren, seine Essenz aufgelesen hatten, und jetzt lag in ihrer Entscheidung zum Aufbruch selbst das verzweifelte Bemühen, Vergessen herbeizuführen. Von nun an waren sie die, die fehlten, die paar, die beim Appell nicht anwesend waren, und zwar just in dem Augenblick, als sich die trockenen Monate mit dem zähen Strom des voranschreitenden Krieges vollsogen. Durch das, was sie waren, und durch das, was sie soeben getan hatten, durch ihren neuen Status als die, welche fern waren, dadurch, dass in der septemberlichen Abenddämmerung ihre Taten mit ihrem Sein erneut eine Einheit bildeten, waren sie in jenem Augenblick genau all das, was der Faschismus nicht war.
     
    Das Versprechen von Ara Martese bestimmte ihre Richtung und verlieh dem Gefühl des Verlassenseins erträgliche Formen. Nachdem sie nachts geschlafen hatten, machten sie sich wieder auf den Weg, denn ihre Entschlossenheit wuchs, weit weg von dem Lager sein zu wollen, das die verbliebenen Chinesen noch ein paar Monate lang festhielt, auch wenn es jetzt allen Winden ausgeliefert war. Aber sein Ende rückte näher, sie waren das Indiz dafür. Und dieses Indiz bewegte sich durch den Schatten der Wälder. Sie fanden Wege wieder, die sie schon kannten. Diesen Wegen jetzt bis zum Ende zu folgen, bis zu dem Stück, das sie noch nicht kannten, und dann noch weitergehen, das war ein Rausch von Freiheit, der sich gleichzeitig mit der Wut darüber einstellte, es nicht früher versucht zu haben. Dabei erschien doch alles auf so grausame Weise einfach, man musste nur immer weitergehen, sich an den Berg schmiegen und dadurch die Gefahr, aufgespürt zu werden, verringern. Jedes Mitglied der Gruppe hatte irgendwann diese Epiphanie, jeder zu einem anderen Zeitpunkt. Jeder gelangte irgendwann an eine Schwelle, an der er den neuen Raum an Möglichkeiten auftauchen sah, und zwar, sobald er die Grenze seiner eigenen Wege erreichte. Manchen erschien die Pforte zum Anderswo sehr rasch, manchen erschien die Schwelle erst, als sie schon mehrere Stunden gelaufen waren. Aber alle erkannten, nachdem sie den ersten Pass überquert hatten, die ersten Häuser am Dorfeingang von Tossicia wieder. Ihr einstiges Lager wiederzusehen, oder eher, dessen Nähe zu spüren, brachte sie wieder alle auf eine Stufe. Das in der morgendlichen Frische friedlich daliegende Dorf weckte einen Schwarm von Erinnerungen. Der erbitterte Hass, den sie diesem dreckigen, zu engen und gewalttätigen Ort entgegenbrachten, und die Erinnerung an das finstere Loch ließen einige von ihnen würgen. Als sie sich Tossicia näherten, war das, wie in die Zeit der Welt zurückzukehren und an der Stelle weiterzumachen, wo jeder die Dinge hatte liegen lassen, bevor sie stehengeblieben war. Tossicia als eine Schwelle zu erkennen lieferte auf

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