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116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

116 Chinesen oder so: Roman (German Edition)

Titel: 116 Chinesen oder so: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Heams-Ogus
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Letzterer stellte, auch wenn er gerne Zeit schinden wollte, sehr schnell fest, dass es ein Problem gab, das unter den gegebenen Umständen sehr hinderlich war: Sie verstanden einander schlecht, und hinter jedem falsch verstandenen Wort lauerte in der herrschenden Anspannung eine Katastrophe. Da fiel einem der Mönche ein, dass zwei der vor Ort festgehaltenen Chinesen, die vor ihrer Ankunft erfolgreiche Händler in Mailand gewesen waren, mehrere Sprachen beherrschten. Eilig ließ man sie kommen, und sie bestätigten, dass sie über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügten. Und so kam es, dass unter den bröckelnden Arkaden im Saal eines Abruzzenklosters zwei Chinesen den italienischen Geistlichen und einem Offizier der Wehrmacht als Dolmetscher dienten. In der Stille, die zärtlich über die dicken Mauern strich, holte der Offizier seine Fragen hervor und musste sich damit abfinden: Es waren doch tatsächlich zwei panische Chinesen, die sich vor seinen Augen berieten, um zuerst die Botschaft und dann in umgekehrter Richtung die Antwort weiterzuleiten. Zwei schmächtige Männer, die sich dem erhaltenen Befehl und der Geschichte nicht entziehen konnten und der vor ihnen stehenden Gestalt, die die Gründe für ihre Gefangenschaft verkörperte, dieser massige Kriegs-Mensch von weither, der in diesem Raum aber dennoch so präsent war wie eine zusätzliche Säule und der von ihrem Hin und Her abhängig war, von dem Fieber in ihren Augen, dem Zittern ihrer Lippen. Der Kriegs-Mensch redete von Beschlagnahmung, Fristen, verfügbarer Fläche, das Ganze musste seinen Weg in eine chinesische Welt finden, durch Leid, Schweigen, Erinnerungen hindurch. Schließlich kamen ein paar italienische Wörter heraus, die sich vor die Mönche legten, von denen dann wiederum andere Wörter ausgingen. Drei Grammatiken traten gegeneinander an, sie flatterten umher und beanspruchten den ganzen Raum für sich, drei Welten, drei Zeichensysteme, von denen jedes eigene Zusammenhänge herstellte, was Macht oder Abhängigkeit betraf, andere als die, welche sich hier auf den Tressen des Deutschen oder der Kutte der Pater zeigten. Die chinesische Welt war das Bindeglied, ein unwahrscheinlicher Umweg, der die Legende von der deutsch-italienischen Solidarität in ein Licht von zerstörerischer Ironie rückte. Aber diese dunkle und weit entfernte Welt, auf die der starre Blick der beiden anderen gerichtet war, diese mysteriöse Instanz, war dennoch ihr Schlüssel. Sie dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen; je nachdem, ob das Unverständnis aufschien, sich den Bemühungen widersetzte, gewann oder die phantastische Vorstellung von einer unmittelbaren deutschen Welt ruinierte, war diese Verhandlung mit Bergen gespickt, mit Gipfeln, mit Abhängen, die es zu erklimmen, Schluchten, die es zu überwinden galt, eine Bergsteiger-Sprache, wo der deutsche Offizier ursprünglich der Meinung gewesen war, er könnte einfach eintreten, befehlen und sich durchsetzen. Draußen vor der Tür war der Sasso, ein mitt-septemberliches Gewitter entlud sich, und sogar in diesem Raum waren Berge. Angst ergriff ihn. Ein Gefühl der Einsamkeit, gegen die keine Form von Gewalt etwas hätte ausrichten können, die Wortberge vibrierten und bedrängten ihn, das Gewitter kam näher, nichts war mehr so, wie er es beschlossen hatte. Und doch blieben die zitternden Chinesen zitternde Chinesen. Schon bald ertrug der Offizier es nicht länger, diese instabilen Berge, diese ungewohnte Situation, diese Abhängigkeit. Er stand auf. Er lächelte ein vergebliches Lächeln, in dem Versuch, dem Debakel eine annehmbare Form zu geben, und wollte den Schein aufrechterhalten, indem er so tat, als sei nun alles geregelt. Dann ging er, nicht ohne vorher anzukündigen, dass er wiederkommen würde, um die letzten Einzelheiten zu besprechen. Mit sich nahm er die mickrigen Informationen über den Ort, die er dem Sieb der drei Welten hatte entnehmen können. Dabei handelte es sich um ein paar banale Aussagen über die Situation in der Zone. Im Hinausgehen ging er sie in Gedanken noch einmal durch. Sie waren, um es in einem Wort zu sagen, dürftig. Etwas hatte standgehalten. Er kam nicht wieder.
     
    Erneut gaben der Krieg und dessen Auswüchse, Todesdrohungen in allen möglichen Formen, der Welt der Lebenden den Takt vor. Angesichts der wütenden Stille der näher rückenden Realität konnte das Lager in seiner Ganzheit nicht lange intakt bleiben. Mehrere Tage hintereinander wurde es von einer Offensive

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