1161 - Der Keim des Bösen
gestatten, und dort sah sie die Schwärze.
Dunkel, grau und schwarz. Eine Schwärze, die sich bewegte. Und wieder sah sie ein bestimmtes Bild vor ihren Augen. Harper hatte beim Betreten des Lokals auf diese Art und Weise seinen Atem ausgestoßen, der wie Nebel gewirkt hatte.
Sie atmete noch nicht. Mit offenem Mund blieb sie stehen und hielt die Luft an.
Jane wollte sich zur Seite bewegen, um an die Handtasche zu gelangen. Sie reagierte etwas zu spät, denn plötzlich schoss die dunkle Wolke als Strahl aus dem Mund direkt auf sie zu…
***
Weg! Abtauchen. Zur Seite ausweichen. Das alles schoss Jane Collins durch den Kopf. Das hatte sie auch vorgehabt, aber es war ihr nicht möglich, den Vorsatz in die Tat umzusetzen.
Der Rauch war einfach zu schnell. Er schien noch einen heftigen Schub bekommen zu haben, und Jane merkte, wie etwas Kaltes an ihren Lippen tanzte. Sie sah auch die zahlreichen kleinen Partikel innerhalb des Rauchstroms, die sie an Ruß erinnerten, und glaubte sogar, sie auf der Zunge zu schmecken. Es war für sie völlig fremd. So etwas hatte Jane noch nie erlebt, und sie konnte auch nichts dagegen tun, als dieser verdammte Atemstrom in ihren Körper hineindrang.
Zugleich drang Lukretias heftiges Lachen an ihre Ohren. Sie hatte ihren Spaß. Mit zur Seite gestreckten Armen stand sie vor Jane Collins und schaute zu, wie der Keim des Bösen in die Detektivin eindrang.
Jane Collins kämpfte verzweifelt dagegen an. Den Mund hatte sie wieder schließen können, aber das Böse war bereits in ihren Körper eingedrungen.
Es breitete sich aus. Es war wie ein Gas, das besonders ihre Gedanken beeinflusste. Sie merkte, dass eine fremde Macht dabei war, sie zu übernehmen. Etwas unwahrscheinlich Bösartiges, Schlimmes und Fremdes versuchte, Gewalt über sie zu bekommen.
Jane konnte es sich selbst nicht erklären, was in ihrem Kopf ablief, aber sie merkte, dass sie die Kontrolle über sich verlor. Und sie tat auch nichts dagegen, als sich Lukretia in Bewegung setzte und auf sie zukam. Sie erschien ihr teuflisch und verschwommen zugleich. Man konnte jetzt von einem schlimmen Wesen sprechen, das nahe, sehr nahe an sie herankam und zufasste.
Beide Hände legten sich um Janes Schultern und blieben auch dort. Sie sah die Augen nicht vor sich, aber den Mund, der noch immer weit offen stand.
»Es wird nur eine Siegerin geben, Jane, nur eine. Und das bin ich. Du hast eine Chance, denn du wirst der zweite Phil Harper werden, und das noch in dieser Nacht. Sie ist lang genug, um all meine neuen Probleme lösen zu können, das verspreche ich dir. Und ich habe bisher jedes Versprechen gehalten.«
Nach diesen Worten war Schluss.
Der Kopf ruckte noch einmal vor, und es passierte etwas, vor dem sich Jane Collins noch Minuten zuvor geekelt hätte, das sie jetzt jedoch hinnehmen musste.
Lukretia küsste sie!
Sie presste dabei ihren Mund auf Janes Lippen und saugte sich beinahe daran fest. Es gab nur diesen intensiven Kontakt mit ihr. Etwas anderes wollte sie gar nicht.
Jane hörte die Stimme der anderen. Sie war zu einem satten, zufriedenen Brummen geworden, während der Keim des Bösen immer tiefer in ihre Kehle drang.
Ein kalter Strom rann in ihren Körper. Sie hörte das leise Fauchen, sie zuckte unter dem Griff der verdammten Person, die sie allerdings nicht losließ.
Genau in diesem Moment stand für Jane Collins fest, dass sie sich überschätzt und die andere unterschätzt hatte. Lukretia war stärker und besser als sie.
Ein Schwindel oder ein Sog packten zu. Jane spürte keinen Boden mehr unter ihren Füßen. Sie gab sich der anderen hin, und dann war da das tiefe Loch, das sie hineinzog in die Schwärze der Bewusstlosigkeit.
Lukretia hatte gewonnen!
***
Suko und ich waren an diesem Abend vom Büro aus nach Hause gefahren, aber Schlaf würden wir so bald nicht finden können. Da waren wir uns einig. Es war zu viel passiert, und die Grausamkeit des Geschehens hatte uns innerlich aufgewühlt.
Diesen Phil Harper gab es nicht mehr. Mein Kreuz hatte den Keim des Bösen vertrieben. Für uns kein Grund, aufzuatmen. Wir beide wussten, dass wir erst am Beginn standen.
»Wer ist Lukretia?« Dieser Frage stellte Suko zum wiederholten Male im Aufzug nach oben.
»Keine Ahnung.«
»Lange sollte diese Ahnungslosigkeit nicht anhalten, John.«
»Ich weiß.«
»Vielleicht hat Shao ja was herausgefunden.«
Von unterwegs hatten wir sie angerufen. Shao war ein weiblicher Computer-Freak. Sie sollte nachforschen, was sie
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