1161 - Der Keim des Bösen
alles unter dem Begriff Lukretia fand.
Viel Hoffnung hatten wir nicht, denn auch Jane Collins wollte sich mit dem gleichen Thema beschäftigen. Hätte sie etwas herausgefunden, hätte schon längst eines unserer Handys geklingelt. So aber waren die beiden Apparate stumm geblieben.
Ich betrat erst gar nicht meine Wohnung, sondern ging sofort mit nach nebenan. Shao saß vor dem Bildschirm. Sie hatte unser Eintreten gehört, drehte sich um, und ich brauchte nur in ihr Gesicht zu schauen, um zu wissen, dass sie einen Fehlschlag erlitten hatte.
Trotzdem fragte ich: »Nichts?«
»Leider, John. Gar nichts. Ich habe trotzdem ausdrucken lassen, was ich unter dem Begriff Lukretia gefunden habe. Einiges ist normal, anderes ist eher skurril. Von der Disco mit dem Namen bis hin zum Sex-Angebot ist alles vorhanden. Es kann ja sein, dass sich etwas darunter befindet, was euch weiterhilft. Auf den ersten Blick allerdings ist nichts zu erkennen. Das meine ich.« Nach dieser Erklärung hob sie die Teetasse an und trank sie leer.
Ich nahm die Blätter und überflog die ausgedruckten Texte. Da war alles und nichts vorhanden, aber kein Punkt, der uns weiterbrachte, so dass wir weiterhin auf der Stelle traten.
»Willst du es auch lesen, Suko?«
Er winkte ab. »Später vielleicht. Aber was du nicht siehst, entdecke ich auch nicht.«
Shao fragte: »Habt ihr euch schon mit Jane Collins in Verbindung gesetzt?«
»Haben wir nicht!«, erklärte ich. »Sie wollte sich ebenfalls an den Computer setzen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie mehr herausgefunden hat als du.«
»Muss nicht sein.«
»Wieso?«
»Vielleicht ist sie ja andere Wege gegangen und kreativer als ich.«
»Shao hat Recht, John.«
Ich blickte auf die Uhr. »Okay, ich werde sie anrufen, nur nicht schon sofort. Ich möchte ihr noch ein wenig Zeit geben. Eine halbe Stunde, dann sehen wir weiter.«
Damit waren auch Shao und Suko einverstanden. Die Chinesin bot mir an, noch etwas zu essen, aber ich lehnte dankend ab. Hunger hatte ich keinen. Zudem war mir der verdammte Fall auf den Magen geschlagen. Ich sah immer noch die junge Kellnerin tot auf dem Boden liegen. Ich schüttelte den Kopf. »Das war eine Tat, die ich einfach nicht begreifen kann. Dieser Mensch ist in meinen Augen keiner gewesen. Er betritt das Restaurant und schießt.«
»Wobei er uns gemeint hat«, sagte Suko.
»Ja, aber hat er das auch immer vorgehabt?«
»Wie meinst du das?«
»Nur eine Vermutung, Suko. Zuerst kam diese Lukretia. Dann tauchte er auf und schoss relativ gezielt auf uns. Es könnte sein, dass diese Frau mit den silberblonden Haaren ihm den Befehl dazu erteilt hat. Deshalb müssen wir sie finden, bevor sie noch mehr Unheil unter unschuldigen Menschen anrichten kann.«
Shao, die zugehört hatte und auch schon zuvor eingeweiht worden war, stellte trotzdem eine wichtige Frage. »Ich bin ja nicht so nahe am Ball gewesen wie ihr.«
»Das sind wir auch nicht«, sagte ich.
»Dennoch. Habt ihr das Gefühl, dass es nur um diese Lukretia geht? Oder glaubt ihr daran, dass noch jemand anderer dahinter steht? Wer immer es auch sein mag. Eine böse Macht, ein Dämon, die Hölle, der Teufel, wer auch immer. Ich für meinen Teil kann mir auch vorstellen, dass sie im Auftrag gehandelt hat.«
»Weiß ich nicht, Shao.«
»Den Gedanken solltet ihr trotzdem nicht aus lassen, meine ich.«
Da hatte sie schon Recht. Nur war erst einmal wichtig, dass wir die Frau fanden.
Shao brachte uns weiterhin auf eine Idee. »Könntet ihr euch denn vorstellen, dass sie auch jetzt versuchen wird, an euch heranzukommen? Dass sie versucht, euch einen weiteren Killer auf den Hals zu schicken? Einen Typen, dem ihr plötzlich auf der Straße begegnet, der seine Waffe zieht und euch einfach niederschießt? Es kann auch eine Frau sein. Oder ist euch meine Vermutung zu weit hergeholt?«
Suko und ich schauten uns an. »Nein«, sagte mein Freund. »Zu weit hergeholt ist das nicht. Es ist alles möglich, Shao. In unserem Job kann man nichts ausschließen.«
Shao hatte die Hände in den Schoß gelegt, dem Computer den Rücken zugewandt und fragte leise:
»Ist es wirklich ein Motiv, normale Menschen so zu beeinflussen, dass sie zu Killern werden? Für mich nicht, aber ich kann mich wohl nicht in die Denkweise der anderen hineinversetzen. Das ist mir zu hoch, auch zu fremd. Was will man damit erreichen, frage ich euch.«
»Panik«, sagte ich. »Menschen so zu verändern, dass sie auf den Schienen der Hölle
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