1162 - Lukretias Horror-Welt
Armen und Händen, die wie die Greifer eines Roboters wirkten.
Der Götze bewegte sich nicht. Wahrscheinlich hatte er das Gehirn verloren oder sich von ihm getrennt, weil der Körper selbst nicht mehr weiter existieren konnte.
Die Masse schon.
Sie zuckte. Sie pochte. Obwohl sie auf ihrem Platz blieb, befand sie sich in ständiger Bewegung. Sie sonderte die Blasen ab, und sie schickte ihre Gedanken.
Auch gegen mich!
Es war ein Anprall, der meinen Kopf erwischte. Die Gedanken sollten in mein Hirn dringen, mich mit der bösen Botschaft überschwemmen und dann dafür sorgen, dass ich ebenso wurde wie Phil Harper oder die anderen fünf Männer.
Lukretia nahm die Gedanken auf. Sie lehnte an der Wand und hatte den Mund geöffnet. So war durch den rußigen Streifen eine Verbindung zwischen ihr und dem Götzen entstanden, der sie als Mensch völlig übernahm.
Der Keim des Bösen war nicht aufzuhalten. Er drang tief in sie ein, und wahrscheinlich würde sie noch menschenverachtender werden, als sie es jetzt schon war.
Sie hatte mich angesprochen und mich in diese Welt gelockt. Nun schien ich für sie nicht da zu sein, denn sie kümmerte sich nicht mehr um meine Anwesenheit.
Es war schwer, die Gedanken abzuwehren. Sie umkreisten mich. Sie waren da und nicht konkret. Es war mehr ein böses Gefühl und eine Botschaft, die mich erwischen wollten.
Gegen sie lehnte ich mich auf.
Die rechte Hand hatte ich in die Tasche geschoben. Dort befand sich mein Kreuz, das ich umfasste.
Natürlich hatte auch mein Talisman bemerkt, in welch einer Welt er sich befand, denn die Wärme auf dem Metall zog sich nicht zurück.
Sehr langsam holte ich es hervor. Nein, es blieb beim Vorhaben, denn Lukretia sprach mich an, und ich wollte mit dem letzten Trumpf noch warten.
Das andere Licht sorgte dafür, dass sie sich in eine diffuse Gestalt verwandelt hatte. Auf der Kleidung glänzte noch der Regen. Ihre silberblonden Haare hatten ebenfalls die Form verloren. Sie klebten wie nasse Gardinen auf ihrem Kopf, aber das alles konnte ihren Triumph nicht erschüttern.
»Das ist meine Welt, Sinclair. Die echte Welt. Die Welt, die mich fasziniert hat!«
»Die Urzeit?«, fragte ich.
»Ja, ja, so ist es, auch wenn du mir nicht glaubst.«
»Davon habe ich nichts gesagt. Dann ist dieses große Gehirn wohl der Rest aus einer Zeit, in der es noch keine Menschen gab. Oder liege ich da falsch?«
»Nein, John, ganz und gar nicht. Du liegst richtig. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, aber hier unten hat es einen Ort gegeben, in dem dieser Götze lebte. Er muss zurückgelassen worden sein. Das siehst du, wenn du ihn dir anschaust. Es ist ein Besucher von einem fremden Stern gewesen, der hier vergessen wurde. Was aussieht wie ein Roboter, muss ein Raumfahreranzug gewesen sein. Er kam nicht mehr zurück. Er musste auf dieser Erde bleiben, und er hat hier die großen Katastrophen erlebt, von der die Welt erschüttert worden sind. Erdbeben, Vulkanausbrüche, was immer auch geschehen sein mag, sie haben letztendlich dafür gesorgt, dass er in das Gestein gepresst wurde wie ein Fossil. Aber das Gehirn konnte nicht vernichtet werden. Es wurde aus ihm herausgedrückt und wuchs zu dieser Größe an. Was vor dir schimmert wie Wasser, ist der Schleim und gleichzeitig die Masse, in die das Gehirn eingebettet wurde. Dass ich es fand, war reiner Zufall, doch sehr schnell habe ich seine Gedanken erlebt, die ich aufsaugen und an andere Menschen weitergeben konnte. Ist das nicht wunderbar? Ich habe die Gedanken getrunken. Ich holte sie in mich hinein, und so konnte ich sein Erbe übernehmen. Durch meine Küsse gebe ich sie weiter, und auch du wirst mich daran nicht hindern können. Ich bin seine Nachfolgerin, und ich werde mich immer würdiger erweisen.«
»Nein, Lukretia. Das wirst du nicht. Es gibt immer eine Grenze, selbst für dich oder das Monster. Ich kenne mich aus, ich weiß, dass das Böse schon existiert hat, als es die Menschen noch nicht gab. Leider haben die Menschen es übernommen, aber etwas existierte schon und hat sich bis heute gehalten. Es ist der Dualismus. Wo Licht ist, da gibt es auch Schatten. Wo sich das Böse ausbreitet, da steht das Gute im krassen Gegensatz dazu. So war es schon immer, selbst zu Urzeiten oder zu denen der Kreaturen der Finsternis.«
Lukretia schloss den Mund. Meine kurze Antwort schien sie nachdenklich gemacht zu haben. Aber der Blick war eiskalt, der mich erwischte. »Du kannst reden, so viel zu willst. Du bist nicht mehr
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