1164 - Die Wolfsfrau
einfach zu stark und ließ sie alles Menschliche vergessen.
Nicht nur der Körper rückte vor und zurück bei ihren wilden Bewegungen, auch der Kopf konnte nicht gerade gehalten werden. Auch er schlug nach vorn, dann wieder nach hinten, prallte zweimal gegen die Wand, was sie gar nicht bemerkte, weil die andere Kraft sie bereits voll unter Kontrolle hatte.
Nur für einen Moment hielt sie inne. Ihr Mund stand noch immer weit offen. Die Augen mit den gelblichen Pupillen waren verdreht. Hände und Füße zuckten, während sich auf dem Körper der Pelz immer mehr verdichtete.
Er war inzwischen zu einer zweiten Haut geworden, die sich bis zum Hals hin hochgezogen hatte.
Es waren keine Atemstöße mehr, die ihren Mund verließen. Was da an Geräuschen durch das Zimmer wehte, konnte nur mit einem wilden Keuchen verglichen werden.
Sie stöhnte… taumelte…
Die andere Kraft trieb sie weiter in eine Ecke hinein, wo ihr schlichtes Holzbett stand.
Alice Carver stolperte auf das Bett zu. Sie fiel nach vorn und landete schräg auf der dünnen Decke, die auf der Matratze lag.
Für wenige Sekunden blieb sie bäuchlings in dieser Haltung liegen. Bis die andere Kraft wieder da war und ihren Körper kurz in die Höhe wuchtete.
Dabei drehte er sich noch. Zusätzlich gab sie sich selbst Schwung, um wieder normal im Bett zu liegen. Mit dem Kopf am Kopfende, aber diesmal auf dem Rücken.
Ein Bett wird auch als Ruhestatt bezeichnet, doch Alice fand keine Ruhe. Sie lag da und wurde von einem wilden Zittern durchgeschüttelt.
Schrille Laute drangen gegen die Decke. Alice litt wahnsinnig. Sie blieb nicht ruhig liegen. Immer wieder erhielt sie Stöße aus dem Unsichtbaren, die ihren Körper hochhoben.
Die Hände konnten nicht ruhig bleiben. Sie huschten über den nackten, fellbedeckten Körper hinweg, begleitet von unregelmäßigen Atemstößen. Sie fuhren auch hoch zum Gesicht, und erst jetzt merkte Alice, dass es keine normalen Hände mehr waren. Die Verwandlung hatte auch sie mit einbezogen und sie zu Krallen gemacht, die jetzt über die Haut im Gesicht fuhren. Eine Haut, die spannte wie sonst nie und dicht vor dem Reißen stand.
Und sie platzte auf.
Plötzlich schien das gesamte Gesicht in Fetzen zu allen Seiten hin zur Seite zu fliegen. Alice war nicht mehr in der Lage, etwas zu sehen. Ein Film hatte sich vor ihre Augen gelegt, aber die Pranken bewegten sich weiter über das Gesicht hinweg, dessen Haut unter dem blassen Fell nicht mehr zu sehen war.
Es gab auch keine normale Nase mehr. Keinen Mund mit Lippen. Dafür schaute eine Schnauze aus dem Gesicht hervor. Da beide Hälften offen standen, waren auch die Zähne zu sehen, die ebenfalls nichts mit denen eines Menschen zu tun hatten. Sie waren lang geworden, zudem spitz und wuchsen an einigen Stellen auch krumm.
Wo sich sonst die Lippen befunden hatten, schimmerten jetzt feuchte Flecken. Darüber in den Augen hielt sich das kalte Licht des Mondes gefangen.
Alice Carver lebte, doch sie war zu einem Tier geworden. Ihr menschliches Dasein lag weit, sehr weit zurück. Für sie gab es keinen Verstand mehr, nur noch einen Instinkt, der sie leitete.
Allmählich beruhigte sich ihr Körper. Das starke Zittern verschwand intervallweise. Die Füße - auch Pranken mit krummen, dunklen Nägeln - zuckten ebenfalls nicht mehr. Selbst die Hände blieben ruhig auf der Unterlage liegen. So erinnerte sie an eine Gestalt, die zur Statue geworden war.
Noch immer tobten die Ströme und Gefühle durch ihren Körper. Diesmal hatten sie sich verwandelt.
Es waren andere geworden. Gute, positive. Gefühle, die ihr Kraft gaben und sie aufbauten.
Das Menschsein war vergessen. Jetzt gab es nur noch die Bestie und nichts anderes mehr.
Sie riss wieder ihre Schnauze auf. Eine dicke Zunge tanzte zwischen den beiden Zahnreihen, und kurze Zeit später meldete sich Alice auf ihre Art und Weise.
Ein Mensch hätte geschrieen oder gekeucht. Nicht aber die Werwölfin. Aus ihrem Mund drang ein schauriges Heulen, das die Stille innerhalb des Waldes brutal zerstörte…
***
Noch jemand hörte das Heulen!
Es war Beau Leroi, der Vampir, der nicht weit von der Hütte entfernt stand und sich das Opfer geholt hatte. Es war eine Frau. Sie hieß Judy Carver, und sie lag wie die perfekte Beute auf seinen ausgebreiteten Armen.
Fertig zum Biss!
Er hatte es versucht. Er hatte sich Zeit gelassen, denn Beau Leroi gehörte zu den Genießern. Er war nicht unbedingt darauf aus, die Opfer zu reißen wie ein wildes
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