1165 - Von Angst gepeitscht
nicht nur auf die männlichen Gäste. Auch manche Mädchen hatten mehr gekippt als ihnen zuträglich war.
Johnny verabschiedete sich lautlos. Neben dem Haus führte ein schmaler Weg auf die vordere Seite des Grundstücks. An der Außenmauer parkten einige Fahrräder und auch zwei Roller. Einer davon gehörte Johnny Conolly. In der Nähe hörte er noch ein Kichern. Dort standen zwei Partygäste im Schutz der Mauer, knutschten herum und befummelten sich gegenseitig. Es war so dunkel, dass Johnny nicht einmal sah, um wen es sich handelte. Auch er hätte bei der Fete jemand abschleppen können, aber die Kleine war schon zu angetrunken gewesen. Da verzichtete er lieber.
Nicht gerade bester Laune schwang er sich auf seinen Roller. Als er startete, hörte sich das Geräusch in der nächtlichen Stille vor dem Haus überraschend laut an. Dazwischen gab die Maschine Töne ab, die an ein trockenes Husten erinnerte.
Johnny war froh, den fahrbaren Untersatz zu besitzen. Damit kam er schneller weg und konnte sich auch besser in den dicht besiedelten Gegenden bewegen, wo die Autofahrer sich von einem Stau zum anderen vorschoben und London fast im Verkehr erstickte.
Es war nach Mitternacht, und Johnny rollte durch die leeren Straßen. Der Wind umwehte seinen Helm, und er bekam das leicht heulende Geräusch gut mit. Zudem schnitt der Wind gegen seinen Körper. Johnny trug nur Hemd und Hose und eine dünne dunkelgrüne Windjacke.
Er kannte die Gegend und verfuhr sich auch in der Dunkelheit nicht. Sterne waren ebenso wenig zu sehen wie der Mond, dessen fast voller Kreis ideal für Werwölfe und Vampire war. Da würden sie Kraft bekommen.
Johnny wusste aus Erzählungen, dass sein Vater mit beiden Monstren vor kurzem noch Kontakt gehabt hatte. Er hatte über den Fall gesprochen und dabei auch einen Vampir namens Beau Leroi erwähnt, der seine blutleeren Opfer nach dem Biss brutal tötete. Der Junge war mittlerweile alt genug, um auch diese Probleme erfassen zu können. Zudem hatte er im Laufe der Jahre schon einiges mitgemacht, und seine Beschützerin, die Wölfin Nadine mit der menschlichen Seele, gab es nicht mehr.
Johnny kannte den Weg im Schlaf. Er hatte zudem den Eindruck, der einzige Mensch in diesem Viertel zu sein, denn es kam ihm niemand entgegen. Weder ein Auto- noch ein Radfahrer.
Zweimal noch um Kurven fahren, dann hatte er die ruhige Straße erreicht, in der seine Eltern den Bungalow vor Jahren gebaut hatten. Darin war der Junge mit den dunkelblonden Haaren aufgewachsen, und er fühlte sich dort noch immer am Wohlsten. Auch wenn bald sein Studium begann, dachte er nicht daran, das Elternhaus zu verlassen. Er hatte sich für London als Studienplatz entschieden.
Der kalte Lichtstrahl des Scheinwerfers glitt über die Fahrbahn hinweg und schwenkte nach rechts, um das Tor an der vorderen Grundstücksseite zu erfassen. Es trennte praktisch die Mauer in zwei Hälften.
Aus dem linken Augenwinkel nahm Johnny den abgestellten Wagen auf der anderen Straßenseite wahr. Das Modell konnte er nicht genau erkennen, jedenfalls handelte es sich um einen Kleinwagen und war möglicherweise ein ausländisches Fabrikat.
Das gefiel ihm nicht. Es kam nur äußerst selten vor, dass hier Autos an den Straßenrändern standen.
Für die meisten gab es hier in der Gegend Carports und Garagen.
Das Tor zum Grundstück der Conollys ließ sich auf die althergebrachte Weise mit einem Schlüssel öffnen, aber auch durch eine Fernbedienung vom Haus her. Er sah auch die Kamera, die in der Mauer angebracht worden war und jeden Besucher mit ihrem kalten Auge genau beobachtete. Allerdings war sie nicht eingeschaltet, denn Johnny sah die kleine Lampe nicht leuchten.
Darüber wunderte er sich nicht. Man konnte ja nicht immer nur mit Gefahren rechnen und wie auf dem Pulverfass leben. Er schloss auf und schob seinen Roller auf das Grundstück. Das Schieben behielt er auch bei. Er wollte seine Eltern nicht durch das Geräusch des Motors wecken.
Johnny blickte sich noch einmal um.
Der fremde Kleinwagen hatte sich nicht bewegt. Wie ein aus Metall und Glas gebasteltes Rieseninsekt parkte er neben dem Bürgersteig, umhüllt von der nächtlichen Dunkelheit, sodass Johnny auch nicht sehen konnte, ob sich jemand im Wagen aufhielt.
Der Wind war inzwischen abgeflaut. Er umwehte Johnny nur noch als sanfte Brise, als er seinen Roller den gewundenen Weg hochschob, um das Haus zu erreichen. Er wollte ihn nicht in die Garage stellen, sondern davor.
Es leuchteten
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