1167 - Die Tochter des Dämons
nur…
***
Sarah Goldwyn ging auf die Bank zu. Sie sah so harmlos und auch etwas putzig in ihrer Kleidung aus, aber sie gehörte auch zu den Frauen, die sich gut verstellen können. Und was sie gesehen hatte, das hatte sie gesehen, doch sie behielt es für sich.
Stöhnend ließ sie sich auf der Bank nieder. »Ja, ja, ich sage es immer. Es ist nicht gut, wenn man alt wird. Da können manche Leute sagen, was sie wollen. Den jüngeren Menschen geht es schon besser. Das schwöre ich Ihnen, meine Liebe. Ach ja, ich bin übrigens Sarah Goldwyn. Sie können Sarah zu mir sagen.«
»Danke.«
»Wie heißen Sie?«
»Alina Wade.«
»Ein schöner Vorname.«
»Den hat mein Vater ausgesucht, der leider viel zu früh verstorben ist.«
»Das tut mir Leid für Sie. Deshalb sind Sie wohl hier auf dem Friedhof, um sein Grab zu besuchen.«
»Genau das ist der Grund gewesen.«
Sarah seufzte wieder. »Und ich habe eine Freundin besucht, die hier liegt. Dann aber kam dieser junge Mann und hat mir die Tasche geraubt. Pech ist das.«
»Ach ja?«
Sarah zeigte sich verwundert. »Sie fragen so komisch. Glauben Sie mir nicht?«
Alina Wade hob die Schultern. »Doch, ich glaube Ihnen, aber Sie hätten wissen müssen, dass es für eine ältere Frau nicht ganz ungefährlich ist, sich in den Abendstunden auf einem Friedhof aufzuhalten. In den Zeitungen ist genug über die Überfälle geschrieben worden. Das hätten Sie doch lesen müssen.«
»Ja, schon. Ich bin nicht oft auf diesem Gelände.« Sarah lächelte etwas verschmitzt, »aber es werden nicht nur ältere Frauen überfallen, denke ich mir. Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Ich bin schon etwas länger in der Umgebung und habe gesehen, dass dieser Typ auch Sie berauben wollte.«
Alina schwieg. Sie war rot geworden. Das ärgerte sie. Deshalb schaute sie auch zur Seite. Ihre Antwort klang nicht sehr glaubwürdig, als sie sagte: »Er hat es sich eben anders überlegt.«
»Was mich wundert.«
»Das ist aber so!«, erklärte sie in leicht aggressivem Tonfall. »Sie haben es doch mitbekommen.«
»Klar. Dabei hatten Sie nicht einmal eine Waffe, mit der sie den Hundesohn in die Flucht jagen konnten. Im Gegenteil, denn er hatte die Waffe, doch Sie haben es nicht zugelassen, dass er sie einsetzte. Das war schon eine reife Leistung. Dazu kann man Ihnen nur gratulieren, Alina.«
»Ach geschenkt.«
Sarah Goldwyn blieb am Ball. »Bitte, sagen Sie mir, wie Sie es geschafft haben, dass Ihnen nichts passiert ist. Es interessiert mich wirklich. So etwas ist einmalig.«
Alina schaute in die Höhe. Sie räusperte sich, und erst dann sprach sie weiter. »Mag sein, dass es einmalig ist, aber ich möchte darüber trotzdem nicht sprechen.«
»Sie sollten stolz darauf sein.«
»Bin ich aber nicht.«
»Warum denn nicht?«
»Weil ich nichts dazu konnte, verflixt noch mal. Es ist einfach passiert und basta. Das sollten Sie bitte schön akzeptieren, Sarah. Und Sie sollten sich auch vorsehen, wenn Sie noch einmal einen Friedhof am Abend betreten, auch wenn es draußen hell ist.«
»Verstanden.« Sarah lächelte. »Das klang wie ein Abschied zwischen uns beiden.«
»Das soll auch einer gewesen sein.«
»Tja.« Die Horror-Oma hob die Schultern. »Es ist mir direkt peinlich«, sagte sie, »aber ich möchte Sie noch um einen Gefallen bitten, wenn es denn möglich ist.«
»Ja, reden Sie.«
»Okay. Sie haben ja selbst erlebt, was dieser junge Verbrecher getan hat. Mit der Handtasche und den anderen Utensilien konnte er nichts anfangen. Aber mein Geld hat er leider mitgenommen.«
»Und jetzt stehen Sie ohne da, wie?«
Sarah zeigte sich zerknirscht. »Leider. Ich weiß nicht, wie ich nach Hause kommen soll. Haben Sie einen Wagen auf dem Parkplatz stehen? Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht, könnten Sie mich nach Hause fahren. Oder mir vielleicht etwas Geld leihen, das ich Ihnen dann so schnell wie möglich zurückzahlen werde.«
Alina überlegte. Dann fragte sie: »Wo wohnen Sie denn?«
»In Mayfair.«
Die jüngere Frau erwiderte zunächst nichts. Sie bedachte Sarah mit einem Seitenblick. »Ho, das ist eine tolle Stadtgegend«, gab sie schließlich zu.
Einen derartigen Kommentar hörte Sarah nicht zum ersten Mal. Es stimmte, in Mayfair zu wohnen, war wirklich privilegiert. »Ich habe dort ein Haus geerbt«, erklärte sie. »Zudem wohne ich da nicht allein. Als Witwe muss man ja sehen, wie man zurechtkommt.«
Alina überlegte und lächelte zugleich. Okay, die Begegnung zwischen ihr und
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