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1170 - Abgrund unter schwarzer Sonne

Titel: 1170 - Abgrund unter schwarzer Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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matteren, sanfteren Gelb. Begann Yee Soongs Prophezeiung sich zu erfüllen? Ich zweifelte inzwischen längst nicht mehr daran, daß der merkwürdige Alte die Akkretionsscheibe gemeint hatte, als er von der Spirale sprach. Ihre Farbe, hatte er gesagt, würde mir Aufschluß darüber geben, wie gefährlich die Lage war. Auf mystische Art und Weise schien er recht zu behalten. Solange die Sternenhyänen in der Nähe waren, hatte die Scheibe in unerbittlichem, bläulichem Weiß gestrahlt. Jetzt, nachdem es uns gelungen war, die Gardh-Brüder zu vertreiben, leuchtete sie in sanftem Gelb, das allmählich einen orangefarbenen Stich entwickelte. Die Gefahr war weit entfernt. Die Bergungsarbeiten in der Tiefe des Kessels würden durch nichts gestört werden. Der Braune und der Graue Gardh hatten das Feld geräumt.
    So dachte ich und blickte zur Sohle des Abgrunds hinab, wo sich die Lichter der Suwi und die jetzt in greller Farbe strahlenden Lichtflekke der beiden Diademe sich träge bewegten. Ich hatte meinen Wachtposten auf derselben Felsplatte bezogen, von der aus Sato und ich den ersten Blick in den Krater geworfen hatten.
    Als der erste Ruck durchs Gestein fuhr, war ich nicht sicher, ob ich wirklich etwas gespürt oder mich womöglich nur ungeschickt bewegt hatte. Es war ein Gefühl, bei dem sich der Magen ein wenig hob, als hätte für den Bruchteil einer Sekunde die Schwerkraft ausgesetzt.
    Aber der Vorgang wiederholte sich, und beim zweiten Mal gab es keinen Zweifel mehr, daß der Fels sich bewegt hatte. In der Wand neben mir entstand ein Riß. Noch während ich ihn staunend betrachtete, gewann er an Breite und wuchs dabei in die Höhe, den zweifach gekrümmten Gipfel hinan, der den Berg selbst aus großer Ferne so leicht identifizierbar machte. Ich regulierte das Gravo-Pak so, daß ich aus eigener Kraft in der Schwebe blieb. Wenn es der Felsplatte unter mir einfiel, sich plötzlich aufzulösen, würde ich nicht in die Tiefe stürzen. Dann sah ich mich um. Aufmerksam hielt ich nach weiteren Anzeichen des ungewöhnlichen Vorgangs Ausschau. Was war es? Ein Erdbeben? Sollte es auf dieser von allen guten Geistern verlassenen, bis ins Herz ausgetrockneten Welt noch Überreste tektonischer Aktivität geben?
    Zu meiner Rechten löste sich ein übermannsgroßer Felsblock von der Kante des Kessels und glitt in die Tiefe. Die geringe Gravitation tat sich schwer, ihm eine nennenswerte Geschwindigkeit mitzuteilen. Aber er hatte weit zu fallen. Drunten auf der Sohle würde er mit der Wucht einer Bombe einschlagen. Ich atmete auf, als er fünfhundert Meter tiefer auf einen Vorsprung prallte und dabei in Tausende von Felssplittern zerbrach. Die kleinen Geschosse würden den Feldschirmen der Suwi nichts anhaben können. Trotzdem mußte ich sie warnen.
    Während ich den Kommunikator aktivierte, ging mein Blick unwillkürlich in die Höhe. Ich erschrak. Der Anblick der Akkretionsscheibe hatte sich im Lauf der vergangenen Minuten auf erschreckende Weise gewandelt. Sie war keine Scheibe mehr, sondern ein dünner, wabernder Ring, der in düsterem, blutigen Rot glühte. Ich hörte Vajttis Stimme, als er auf das automatische Rufsignal antwortete, aber das grausige, unwirkliche Bild, das sich meinen Augen bot, verschlug mir die Sprache. Kein einziges Wort brachte ich über die Lippen. Und während ich noch starrte und zu begreifen versuchte, was nach allen Regeln der Physik und der Kosmologie unbegreifbar bleiben mußte, nahm das Grauen seinen Fortgang.
    Das doppelt gekrümmte Hörn des Berggipfels geriet in Bewegung. Eine Wolke aus Staub und Steinen wallte auf. Einen Augenblick lang schwebte sie zitternd und in sich kreisend in der Schwärze des Vakuums, als müsse sie sich über den Weg, den sie einschlagen wollte, erst schlüssig werden. Dann ging ein Ruck durch die wirbelnde Masse. Sie schoß in die Höhe und löste sich in einzelne Staubfäden auf, die mit irrsinniger Geschwindigkeit davoneilten. Vor meinen Augen zerfiel der ganze, mächtige Gipfel zu Schrott und Gesteinsdampf. Tausende von Tonnen zermahlenen Felsens stoben in die Höhe und verschwanden in der Schwärze, als sei dort oben irgendwo der unsichtbare Staubsauber eines Giganten am Werk - ein Ding der Unmöglichkeit natürlich, denn im Vakuum läßt sich keine Saugwirkung mehr erzielen Mir wollte das Blut in den Adern gefrieren. Eine Sekunde lang war ich wieder der hilflose, von Panik beherrschte Mensch, mit dessen Verstand die Wirren der Pararealität ein frivoles Spiel

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