1170 - Abgrund unter schwarzer Sonne
Untergrund. Allmählich wich die Angst". Wir würden es schaffen. Die Hölle hatte das Maul aufgesperrt, uns zu verschlingen, aber wir waren ihr zwischen den Zähnen hindurch ent
*
wischt. Im Augenblick dachte niemand mehr an Freiheit und Gerechtigkeit, deren düsteres Gefängnis ohne Zweifel längst im Rachen des Schwarzen Loches verschwunden war. Aber der Augenblick kam unausweichbar auf uns zu, da das Schicksal uns würde erklären müssen, was aus dem Zug der Kreuzfahrer werden sollte.
Schließlich, als die letzte Spur der Akkretionsscheibe endlich hinter dem Horizont verschwunden war, schoß das kleine Boot in den Raum hinaus. Bis hierher reichte die Macht des Abgrunds noch nicht. Wir waren frei! Auf dem Orterschild erschienen die Reflexe der Kreuzfahrerschiffe und der Lichterpulk der Galaktischen Flotte. Die Zeit des Auf atmens war gekommen. Die gekrümmte Wirklichkeit lockerte allmählich ihren Griff.
Vajtti kam unsicheren Schritts aus dem Gang, der zur Schleuse führte. Sato Ambush war an seiner Seite. „Wir haben abermals verloren", klagte der Führer in den Abgrund. „Ein weiteres Mal kehren die Kreuzfahrer unverrichteterdinge zurück. Wie lange noch ..."
„Noch ist das Urteil nicht gesprochen", unterbrach ihn Ryokki. „Sieh dort! Der Planet lebt noch."
Das Boot entfernte sich mit relativistischer Geschwindigkeit aus dem Bereich der Hölle, die uns vor wenigen Minuten noch hatte verschlingen wollen. Schon war der tropfenförmige Stern, der das Schwarze Loch umkreiste, zu einem Lichtpunkt geworden, der sich kaum von denen anderer Sterne unterschied. Das Bild, auf das Ryokki wies, war eine kombinierte Taster- und Orterprojektion, die darstellte, was auf optischem Weg nicht mehr zu erfassen war. Sie zeigte das Schwarze Loch und die kreisende Sonne, außerdem den Reigen der vier Planeten. Der innerste, auf dem wir Freiheit und Gerechtigkeit zu befreien versucht hatten, war noch immer zu sehen.
Allerdings umgab ihn eine leuchtende, milchige Hülle - etwa so, wie man auf der Erde in dunstigen Nächten den Vollmond sieht. „Deine Hoffnung ist umsonst", antwortete Vajtti mit schwerer Stimme. „Für dich ist es das erstemal. Ich bin schon hier gewesen."
Als hätte er mit seinen Worten ein Signal gegeben, blähte die milchige Hülle sich plötzlich auf.
Zwei Sekunden lang strahlte sie mit beeindrukkender Leuchtkraft von der Fläche des Tasterbilds. Dann sank sie in sich zusammen, und als sie erlosch, war auch der Reflex des Planeten verschwunden. Die Markierung, die den Umfang des Schwarzen Loches kennzeichnete, hatte ruckartig an Durchmesser zugenommen. Der Abgrund hatte sein Opfer verschlungen. Jetzt mußten die beiden frisch aufgeladenen Diademe beweisen, ob sie in der Lage waren, Freiheit und Gerechtigkeit so lange zu schützen, bis die Kreuzfahrer zurückkehrten. „Beobachte weiter!" sagte Vajtti.
Die Erinnerungen, die er für längst entschwunden gehalten hatte, waren plötzlich wieder wach. Er präsidierte über das Schauspiel, das sich jetzt auf den Bildflächen abzuspielen begann, wie ein Prophet, der die Zukunft kannte, weil sie lediglich eine Wiederholung der Vergangenheit war. Das optische Bild zitterte. Die Sterne waren in Bewegung geraten. Sie verformten sich zu langen, dünnen Strichen. Bunte, gezackte Muster glitten über die Videofläche, hyperenergetische Störungen, die durch das Rearrangement der Wirklichkeit ausgelöst wurden. Das Orterbild war int gleicher Weise ins Wanken geraten: Der Schwärm der Reflexe, der die Galaktische Flotte darstellte, hatte zu pulsieren begonnen. Die Bilder zerronnen, lösten sich in Einzelteilte auf, die nach langem Umherirren schließlich wieder zueinander fanden und von neuem einen Eindruck schufen, den das Auge verarbeiten konnte.
Es war nicht mehr dasselbe Bild. Verschwunden war das sternenarme Firmament des fremden Kosmos. Verschwunden war das Schwarze Loch mit seinen Satelliten. Verschwunden war die Konstellation des verschobenen Kreuzes. An ihre Stelle getreten war der Himmel der Galaxis M82, von unzähligen Sternen übersät und von einem milchigen Schleier durchzogen, der den Standort der zweiten Pforte des Loolandre markierte.
Schweigen herrschte in der kleinen Zentrale des suwischen Raumboots. Eine Minute verging, während der benommene Verstand sich bemühte, das Unglaubliche zu begreifen. Dann sagte Vajtti: „So war es früher, so ist es jetzt. Unser Weg kennt kein Ende. Der Kreuzzug ist von neuem auf der Suche nach dem
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