1173 - Der irre Doc
das Übergewicht bekam und nach hinten kippte.
Ab in die Tiefe.
Suko fluchte ebenso wie ich. Er hätte seine Peitsche am liebsten weggeworfen.
Einen Atemzug später hatten wir das Fenster erreicht und mussten abbremsen, sonst wären wir ebenfalls noch gekippt. Dem Ghoul würde ein Aufprall unten nichts ausmachen, uns schon. So gab es diesen Weg, den er genommen hatte, für uns nicht.
Aber den Blick riskierten wir - und hätten beinahe beide laut gelacht.
Manchmal stellt sich das Schicksal oder der Zufall auch auf unsere Seite. Das hier war so ein Fall.
Dieser Bau gehörte noch zu den wirklich alten Häusern. Und damals hatte man an den Rückseiten Feuerleitern angebracht mit Plattformen dazwischen.
Eine davon war dem Ghoul zum Verhängnis geworden. Mit seinem gesamten Körper war er dort gelandet. Er lag da wie eine Qualle, die vom Licht des Mondes angestrahlt wurde. Damit hatte er wohl selbst nicht gerechnet, sonst hätte er sich schon längst erhoben, um den Weg nach unten zu nehmen.
Er war dabei. Drehte den Körper und auch den Kopf, sodass wir in sein Knochengesicht starrten.
»Und?«, fragte Suko.
»Mach du es!«
Er zog die Beretta. Als er sie in der Hand hielt, wollte der Ghoul über die Kante rutschen, um sich in die Tiefe fallen zu lassen.
Der Schuss peitschte auf. Er hinterließ Echos, die über die Mauern der Hinterhäuser rollten. Die geweihte Silberkugel hatte den Ghoul nicht im Kopf erwischt. Wie zuvor meine Faust war sie in den schleimigen Körper unter dem Kittel gedrungen.
Ich hatte bisher noch keinen Ghoul erlebt, der der Kraft einer geweihten Silberkugel hätte widerstehen können. Auch dieser hier machte keine Ausnahme.
Er zuckte mehrmals. Er riss seine Arme mit den behandschuhten Händen hoch, und aus seinem Maul drang ein klagendes Geräusch, das ebenso von einem sterbenden Tier hätte abgegeben werden können.
Aber dieses Wesen war schlimmer als ein Tier. Es damit zu vergleichen, wäre eine Schande für das Tier gewesen.
Der Skelett-Ghoul blieb auf der Plattform liegen, wo sich sein Todeskampf abspielte und er elendig einging. Die Kraft der Kugel trocknete ihn aus. Sein Körper verlor sämtliche Flüssigkeit. Es bildete sich etwas, das wie Glas aussah oder Zuckerguss. Nur dass der eben nicht so widerlich stank.
Das spielte sich unter dem Kittel ab, und wir bekamen es nicht mit. Dafür sahen wir, wie sich der Knochenschädel veränderte. Auch in ihm wurde der Schleim hart und bekam so viel Kraft, dass er den Schädel sprengte. Jetzt entstanden Risse, die sich sehr schnell erweiterten und den Schädel zerstörten.
Die Reste blieben wie kleine eingefärbte Glasteile. Der Körper knisterte und knirschte noch. Wenn wir ihn nicht von der Plattform holten, würde ihn der Wind irgendwann wegfegen.
»Das war's dann wohl«, sagte Suko. »Hol deine Waffe, und dann lass uns gehen.«
»Wohin?«
»Ich für meinen Teil lege mich ins Bett. Aber du kannst dich ja noch mit den Kollegen herumschlagen, die sich um die Leichen kümmern müssen.« Als er sah, dass ich protestieren wollte, grinste er nur und meinte: »Diesmal hast du die Arschkarte.«
»Danke, herzlichen Dank. Aber irgendwann werden die Karten wieder neu gemischt.«
»Nur nicht mehr in dieser Nacht«, erwiderte Suko und zog sich in Richtung Tür zurück.
Mir blieb nur noch übrig, die Beretta an mich zu nehmen und dann zu telefonieren. Und auch darüber froh zu sein, es wieder mal geschafft zu haben…
ENDE
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