1177 - Der Junge von Case Mountain
waren ihm auf der Spur.
Eine unnatürliche Ruhe überkam ihn. In dieser Lage gab es nur noch eines zu tun. Er tastete nach dem kleinen Kasten des Hypersenders, berührte eine Gruppe von Kontaktflächen, deren Reihenfolge er inzwischen auswendig kannte, und begann zu sprechen: „Hesekiel ruft Bruder Lead Can. Ich bin in Gefahr. Es bleiben mir nur noch ein paar Minuten, den wertvollsten Teil meines Besitztums in Sicherheit zu bringen. Wir werden unseren Handel modifizieren müssen, Lead Can. Ich kann unmöglich alles bringen, was ich habe."
Die Antwort kam binnen weniger Sekunden.
„Ich tue dir einen großen Gefallen, Bruder Hesekiel. Ich vertraue dir weiterhin. Wenn ich klug wäre, zöge ich mich sofort zurück. Aber du bist ein besonderer Fall. Lade auf, was du hast, und komm zu mir."
Arnulf Höchstens atmete auf.
„Ich komme früher als geplant", sagte er.
„Das macht nichts. Halte dich an den vereinbarten Treffpunkt. Ich werde dich zu finden wissen. Ende."
Arnulfs Aufbruch bedurfte keiner zusätzlichen Vorbereitungen. Es war alles bereit. Er rief die Schwebetrage herbei, die er für diesen Zweck bereitgestellt hatte, und begann, sie zu beladen. Sein ursprünglicher Plan war gewesen, mehrere Gänge mit der Trage zu unternehmen - sein Besitzgut portionsweise an Bord des Beiboots zu überführen. Aber jemand hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er mußte sich glücklich schätzen, wenn er auch nur eine einzige Ladung retten konnte.
Während er die Gegenstände auswählte, die ihm am wertvollsten erschienen, ging ihm unentwegt durch den Kopf, was er vor kurzem über Interkom gehört hatte. Es ging um Lauterkeit. Er sollte sich erinnern. Er sollte in seinem Gedächtnis Abdrücke längst vergangener Ereignisse finden, Erinnerungen an Unrecht, das er begangen hatte.
Es war ein mühsames Unterfangen, und mehrmals machte er, von seinen Gedanken abgelenkt, beim Beladen der Trage einen Fehler. Schließlich zwang er sich dazu, das Nachdenken aufzugeben. Es brachte ihm nichts ein - im Gegenteil: Jede Sekunde, die er mit dem Durchsuchen seines Gedächtnisses verlor, brachte ihn mehr in Gefahr. Von da an arbeitete er konzentriert und belud die Trage bis an die Grenze ihrer Transportfähigkeit.
Dann machte er sich auf den Weg.
*
Die Lage verschlechterte sich von Minute zu Minute. Das große Erinnern hatte eingesetzt. Chmekyrs Worte, durch die von Perry veranlaßte Schaltung in den gesamten Bereich der Galaktischen Flotte übertragen, waren von quasihypnotischer Wirkung.
Jedermann grub in den Tiefen seines Gedächtnisses und erinnerte sich an Vorfälle, bei denen er seine Unlauterkeit unter Beweis gestellt hatte.
Wenn es nur darum gegangen wäre, hätte sich der induzierte Schuldkomplex, wie er von den Fachleuten genannt wurde, ertragen lassen. Aber die vom Schuldgefühl Geplagten beschränkten sich nicht aufs Erinnern. Sie glaubten, die Erfahrungen der Vergangenheit wiederholen zu müssen, nicht nur einfach so, wie sie sich an sie erinnerten, sondern möglichst in noch intensiverem Maß. Solche, die sich in ihrer Jugend der Tierquälerei schuldig gemacht hatten, fingen Arbeits- oder Unterkunftskollegen ein und begannen, sie zu foltern. Wer früher einen Hang zum Lügen gehabt hatte, entwickelte sich zum Intriganten, der anderer Menschen Ruf untergrub und sie in Schwierigkeiten brachte. Faulenzer der Vergangenheit wurden zu absoluten Nichtstuern. Jene, die ihren Eltern gegenüber aufsässig gewesen waren, verwandelten sich in rabiate Revolutionäre gegen jegliche Art von Autorität. Es gab Morde. Es kam zu großmaßstäblichen Zerstörungen. Die Disziplin der Flotte brach zusammen.
Die Flottenleitung, gegenwärtig noch nicht vom Induzierten Schuldkomplex befallen und ihrer Sinne mächtig, schlug hart und erbarmungslos zu. Roboter, auf die Chmekyrs quasihypnotisches Geschwätz keinen Einfluß hatte, patrouillierten die Decks der Raumschiffe.
Gefängnisbereiche wurden eingerichtet.
Wer sich einen nennenswerten Verstoß gegen das Reglement zuschulden kommen ließ, wurde gefaßt und eingesperrt. Diese Maßnahme brachte die Ausweitung des Induzierten Schuldkomplexes vorübergehend ins Stocken, aber sie gänzlich anzuhalten vermochte sie nicht. Die Gefängnisse füllten sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Die Galaktische Flotte verwandelte sich in ein Zuchthaus gigantischen Ausmaßes. Der Zeitpunkt ließ sich absehen, da es außerhalb der Gefängniszonen nur noch Roboter und vielleicht
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