1177 - Der Junge von Case Mountain
beweisen lassen. Damit ging Hand in Hand, daß er keinen Anreiz erhielt, von neuem in unlauterer Weise tätig zu werden - auf eine Art, die die Bösartigkeit früheren Verhaltens noch übertraf.
Freilich hatte er gestohlen. Er hatte sogar in Kauf genommen, daß durch einen seiner Diebstähle ein anderer Mensch in Gefahr geriet. Aber ahmte er damit Erlebnisse der Vergangenheit nach? Mitnichten. Er imitierte die Tätigkeit eines anderen, des Diebes nämlich, dessen Beute er in der Energieblase auf der Oberfläche der BASIS gefunden hatte. Es war ihm in den Sinn gekommen, daß dies eigentlich eine wirksame Methode sei - nicht sich zu bereichern, sondern die Gesellschaft zu bestrafen, die ihn schäbig behandelt hatte.
Wie man den Fall Arnulf Höchstens auch betrachtete - an dem Sondenspezialisten hatte sich der Effekt der verschobenen Wirklichkeit offenbar in einer besonders verschrobenen, auch von Chmekyr nicht erwarteten Weise bemerkbar gemacht. Arnulf paßte nicht ins allgemeine Schema der Dinge. Es gab keinen Makel auf seiner Vergangenheit, aber er war trotzdem zum Dieb geworden.
Dieser Gedanke beschäftigte ihn. Er hielt abermals an und grübelte. Der Klang einer vertrauten Stimme schreckte ihn schließlich auf.
„Bruder Hesekiel, wenn du nicht schneller vorwärts kommst, betrachte ich unseren Handel als annulliert."
„Lead Can!" stieß Arnulf Höchstens hervor. „Ich bin auf dem Weg!"
„Nicht schnell genug, Bruder Hesekiel. Sie werden dich fassen, bevor du den Hangar erreichst."
„Woher weißt du das?" keuchte Arnulf. „Ich habe das Boot fast schon erreicht."
„Aber im Augenblick stehst du still, Bruder Hesekiel. Ich sage dir: Setz deine Beine in Bewegung, und deine Trage auch, denn nur dem Flinken wird Rettung zuteil."
„Ja, ja", rief Arnulf Höchstens voller Eifer. „Ich beeile mich."
Von da an fiel es ihm leichter, die störenden Gedanken abzuwehren. Die Erkenntnis, daß Bruder Lead Can zu jeder Zeit wußte, wo er war, beeindruckte ihn.
Eine Viertelstunde später erreichte er den Hangar. Die Trage glitt durch das Schleusenluk. Arnulf Höchstens folgte ihr, indem er auf dem schmalen Energiesteg emporrutschte. Nachdem er zugesehen hatte, wie die Trage sich in einer stabilen Halterung verankerte, lief er durch den kurzen Verbindungsgang zum Cockpit des Bootes und schickte sich an, die noch verbleibenden Startvorbereitungen zu treffen. Er fühlte sich jetzt fast schon sicher. Noch zwanzig oder dreißig Sekunden, und das große Hangarschott würde sich vor ihm öffnen. Das Boot war schnell und wendig. Im Handumdrehen würde es im Gedränge der Raumschiffe verschwunden sein.
Aber gerade in dem Augenblick, in dem Arnulf Höchstens' Zuversicht wieder zu wachsen begann, holte ihn das Verhängnis ein. Er hörte ein Geräusch hinter sich und wandte sich um. Eine Luke im Boden des Cockpits hatte sich geöffnet, und aus der Öffnung hervor schwebte - eine Flamme.
Gebannt, starr vor Schreck verfolgte Arnulf Höchstens das unglaubliche Schauspiel. Die Flamme, violett leuchtend, bewegte sich aufwärts. Ein Kopf erschien in der Lukenöffnung.
Er schob sich höher. Ein riesiges, rotes Auge starrte Arnulf an. Er hörte eine Stimme sprechen: „Arnulf Höchstens - du hast das Gesetz gebrochen!"
Da gab irgendwo im Innern seiner Seele etwas nach, ein Gerüst, das ihn bisher aufrechterhalten hatte. Arnulf Höchstens brach zusammen. Er sank zu Boden und wimmerte: „Ja, ich habe das Gesetz gebrochen. Aber ich bin nicht daran schuld. Sie wollten es. Sie haben mich dazu gebracht."
Er hörte kaum, wie sich das Schott öffnete. Tränen schossen ihm in die Augen. Als er den Kopf hob, sah er durch wäßrige Schleier hindurch die Umrisse von sechs Gestalten.
Er erblickte zwei weitere Armadaflammen. Drei der Gestalten reflektierten das Licht der Deckenbeleuchtung; es mußten Roboter sein.
„Arnulf, wir wollen miteinander reden", sagte eine eindringliche Stimme.
*
Die Ergebnisse der optischen Überwachung zeigten, daß das Diebeslager in der Zwischenzeit teilweise ausgeräumt worden war. Es gab Anzeichen, daß der Dieb es eilig gehabt hatte. Die Deutung war einfach. Der Mensch, der den Decknamen Hesekiel benützte, hatte bemerkt, daß man ihm auf die Spur gekommen war. Er hatte die Flucht ergriffen.
Es wäre mühselig gewesen, nach seiner Spur zu suchen. Perry nahm Verbindung mit der Hamiller-Tube auf und gab ihr die Anweisung, den Status sämtlicher Bordfahrzeuge der BASIS zu überprüfen. Hamillers
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