118 - Der Unersättliche
uns befunden", erklärte sie schaudernd. „Wenn wir nicht durch das Ventil ins Freie gelangt wären, würden wir jetzt innerhalb des Eis schwimmen. Ein furchtbarer Gedanke!"
Dorian nickte und kniff die Augen zusammen.
„Mit diesem Organ scheint irgend etwas nicht zu stimmen", erklärte
er.
„Die Janusköpfe, die es betreuen, wirken konfus."
„Wäre es möglich, daß dies hier Kethers Krise ist, von der die Janusköpfe gesprochen haben?" fragte Coco.
Plötzlich dehnte sich das Riesenei nach einer Seite hin aus. Es schien, als sei der Druck der Flüssigkeit zu groß und als könne der Kokon ihm nicht mehr standhalten.
Ein beulenartiger Auswuchs bildete sich und wurde immer größer … Sofort eilten Janusköpfe herbei. Sie schrien Beschwörungsformeln, gestikulierten mit den Händen und schrieben mit den Fingern die Symbole ihrer Magie auf den Auswuchs und in die Luft.
Die Beule wurde nicht mehr größer, sondern begann wieder zu schrumpfen. Durch eine Leitungsröhre wurde unaufhörlich jene rote schäumende Flüssigkeit gepumpt, bis das innere Organ des Eies darin verschwunden war. Die wasserhelle Flüssigkeit wurde schließlich völlig verdrängt und durch ein Netz von armdünnen Kanälen abgeleitet.
Während aber das eiförmige Organ durch die Magie der Janusköpfe beruhigt wurde, geriet die Umgebung in Aufruhr.
Die Wand, auf der Dorian und Coco sich an den Zäpfchen festklammerten, erzitterte unter gewaltigen Stößen. Sie wölbte sich unter dumpfem Pochen vor und zog sich dann wieder zusammen.
„Weg von hier!" rief Dorian. Das Zäpfchen, an dem er sich festgehalten hatte, wurde in die Wand zurückgezogen. Der Dämonenkiller rutschte ab und glitt einige Meter die Wand hinunter, bevor er sich an einem anderen Auswuchs festklammern konnte.
Wieder beulte sich die Zäpfchenwand aus. Dorian und Coco sahen das eiförmige Gebilde rasend schnell auf sich zukommen, dann fiel die Wand wieder in sich zusammen - nur um sich im nächsten Augenblick wieder auszudehnen.
Dorian war froh, daß wenigstens die Janusköpfe noch nicht auf sie aufmerksam geworden waren. Coco begann mit dem Abstieg, und sie erreichte Dorian schnell.
„Hast du bemerkt, daß sich hier gefangene Menschen befinden?" fragte Coco. „Dort drüben ! Sie werden von Seferen bewacht."
Sie deutete in eine bestimmte Richtung. Als die Wand, in der sie hingen, wieder einmal in sich zusammenfiel, sah Dorian unweit unter sich eine zuckende Blase, die sich im Rhythmus ihrer Wand ausdehnte. Wenn sie ihre größte Ausdehnung erreicht hatte, öffneten sich faustgroße Löcher, denen der Luftüberdruck entströmte.
In dieser Blase befanden sich ein halbes Dutzend Menschen, die von zwei Seferen bewacht wurden. Während die zweieinhalb Meter großen Monstren mit den Knochenschädeln und den degenerierten Schnäbeln von dem Überdruck in der Blase nicht berührt zu werden schienen, wanden sich die Menschen wie unter Schmerzen. Immer, wenn die Luft durch die Öffnungen entwich, zeigte sich Erleichterung auf ihren Gesichtern.
Dorian nickte grimmig - und begann mit dem Abstieg. Die Zuckungen der Wand wurden immer heftiger. Irgendwo riß ein Zellgewebe mit ohrenbetäubendem Knall. In der Wand öffneten sich Poren, aus denen eine giftgrüne Flüssigkeit spritzte.
Im nächsten Augenblick schossen schlangenähnliche Gebilde hervor und auf das eiförmige Riesenorgan zu. Dorian wurde von einem solchen Strang mit voller Wucht an der Schulter getroffen und verlor den Halt.
Er stürzte und landete auf der Blase, die gerade ihre größte Ausdehnung erreicht hatte. Zum Glück befand er sich nicht im Bereich der Luftventile - aber der entweichende Luftstrom war immer noch so stark, daß er fast davongewirbelt wurde.
Sofort wurden die Seferen auf ihn aufmerksam. Sie wandten ihm ihre knochigen Schnabelgesichter zu, die entfernt an jene der Janusköpfe erinnerten. In ihren dunklen Augenhöhlen begann es, gelb zu leuchten.
Da die Öffnungen der Blase noch nicht geschlossen waren, konnte Dorian deutlich ihre zirpenden Stimmen hören, mit denen sie scheinbar sinnlose Silben der Janussprache von sich gaben. „Eth-ere-erehte… Rethek-Kether!"
Dorian erkannte plötzlich den Sinn. Alle diese Silben waren von Kethers Namen abgeleitet und sollten zweifellos magische Kräfte freisetzen - natürlich gegen ihn.
Der Dämonenkiller versuchte, sich dem Bann der gelb leuchtenden Augen zu entziehen, während er gleichzeitig den Ys-Spiegel hervorholte. Er hatte ihn schon vorher
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