1181 - Die Clansmutter
seit geraumer Zeit ausschließlich nach jenen Liedern, die die ferne Vergangenheit zum Inhalt hatten?
Stira beruhigte sich selbst mit dem Argument, daß F'durnadde den Problemen der Gegenwart eben nicht mehr gewachsen sei und darum Trost und Kraft aus den alten Liedern zu schöpfen versuchte.
Beides brauchte die Clansmutter dringend, denn das Armadaherz schwieg.
Die Erste Wächterin riß sich vom Lied der Suche los und verließ F'durnaddes Privaträume. Draußen nahm sie Verbindung zu Rekkam auf. „Die Fremden haben geantwortet", erklärte er ohne Umschweife. „Sie sind bereit, uns zu helfen."
„Glaubst du, daß wir ihnen trauen können?" fragte Stira nervös. „Ja", erwiderte Rekkam fest. „Sie sind bereits auf dem Weg zu uns und werden in Kürze hier eintreffen. Das heißt - der überwiegende Teil der fremden Flotte ist auf Warteposition gegangen. Sie schicken einige Beiboote herüber."
„Haben sie gesagt, daß sie F'durnadde helfen können?"
„Nein - sie wissen ja nichts über die Clansmutter, und das haben sie auch deutlich genug zu verstehen gegeben. Aber sie haben versichert, daß sie ihr Bestes geben werden." Rekkam machte eine bedeutungsvolle Pause und fuhr dann fort: „Prinz Nachor von dem Loolandre ist bei ihnen!"
Stira wußte, daß er irgendeine Reaktion von ihr erwartete, aber sie spürte plötzlich etwas, das sie alles andere vergessen ließ. Wenn Rekkam in diesem Augenblick behauptet hätte, Ordoban selbst wolle sich um F'durnaddes Rettung bemühen, dann hätte sie selbst das nicht wahrgenommen. Wie in Trance wandte sie sich ab und lief in die zentrale Kammer zurück.
Die Pflegerinnen hatten sich um F'durnaddes Lager geschart. Stira verscheuchte sie mit einer herrischen Geste, und sie wichen gehorsam zurück.
F'durnadde hatte die Schuppen ganz leicht gespreizt. Die Haut zwischen den Schuppen war kühl und trocken, wie es sich gehörte. Der Sinneskopf schimmerte matt.
Stira kannte diese Anzeichen. Sie bedeutete den Pflegerinnen, sich im Hintergrund zu halten, während sie behutsam auf die Klangplatten trat. Sie kannte das Lied der Suche gut genug, um an jeder einzelnen Stelle einzusetzen, aber diesmal mißtraute sie sich selbst. Für ein, zwei Sekunden mischten sich die Töne aus dem Wiedergabegerät mit denen, die Stira erzeugte. Es gab kein Anzeichen von Dissonanzen, und Stira schaltete das Gerät aus.
Von diesem Augenblick an war sie allein mit sich und der Welt der Klänge, die unter ihren geschickten Füßen erwachten, allein mit jenem Lied, das sie über alles liebte. Sie wußte, daß sie das Lied der Suche noch niemals so gut getanzt hatte. Die Platten unter ihren Füßen vibrierten sanft, und die Töne, die sie hervorbrachten, waren voll und rein und klar. Sie enthielten das zaghafte Wispern von einzelnen Atomen in einer unendlichen Leere, den Gesang der Sterne und die überwältigenden Harmonien der Galaxien. Und dann war das Lied aus, und Stira stand still, spürte unter ihren Füßen die Platten vibrierend nachhallen und blickte erwartungsvoll zu F'durnadde hinüber.
Die Clansmutter erwachte, und Stiras Füße zückten. Am liebsten hätte sie irgendein triumphierendes Lied angestimmt, denn F'durnadde richtete sich langsam auf - das hatte sie schon seit langem nicht mehr getan. Aber dann winkte F'durnadde die Pflegerinnen heran, und Stiras Mut sank erneut.
Wäre F'durnadde wieder gesund gewesen, dann hätte sie als erstes Stira zu sich gerufen und sie gescholten, weil sie die Pflegerinnen während einer Meditationsphase eingelassen hatte, und danach hätte sie die anderen hinausgejagt. Sie schien sich indessen gar nicht der Tatsache bewußt zu sein, daß Stira eigenmächtig gehandelt hatte, und das bedeutete, daß sie vielleicht sogar kränker war als zuvor.
Die Erste Wächterin ging traurig hinaus, um zu hören, wie nahe die hilfsbereiten Fremden der Station inzwischen gekommen waren. Sie war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie nicht sofort merkte, was sich rund um F'durnaddes Privatgemächer tat. Erst als sie vor dem Sprechgerät stand, fiel ihr auf, daß weit und breit keine Wachtposten zu sehen waren.
Im ersten Moment war sie wie erstarrt. Dann stellte sie in fliegender Hast eine Verbindung zu Rekkam her - das heißt, sie versuchte es, aber Rekkam antwortete nicht. Sie wollte bereits aufgeben, als der Bildschirm schließlich doch hell wurde, aber es war nicht Rekkam, den sie sah, sondern einer der jungen Voche, die sich Ahany angeschlossen hatten. Er war verletzt
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