1183 - Visionen der Hölle
sich um die eigene Achse.
Ich hatte meinen Blick wieder abgewandt und konzentrierte mich mehr auf die Spiegel. In drei von ihnen konnte ich hineinschauen. Hätte ich in den vierten sehen wollen, ich hätte mich zu sehr verdrehen müssen, aber so war es schon okay.
Die blanken Flächen gaben die Bewegungen zurück, aber es passierte nichts Ungewöhnliches, das den Rahmen hier gesprengt hätte. Ich wollte zudem nicht ungeduldig sein, denn wir standen erst am Anfang. Die große Schau würde noch folgen.
Doria stoppte ihre Drehbewegungen.
Für eine Weile war es still. Wir hörten auch keine Musik mehr. Und dann - ohne Übergang - begann der Tanz und damit eine heiße, atemberaubende Schau…
***
Ray hatte schon in vielen Jobs gearbeitet. Und er hatte gelernt, sich anzupassen. So war er kein Mann der Extreme gewesen. Er blieb glatt, er blieb freundlich. Er gab Kunden oder seinem Arbeitgeber keinen Anlass zur Klage. Er lächelte zumeist, hielt sich immer etwas im Hintergrund auf, doch stets so nahe am Ort des Geschehens, dass ihm nichts entging.
Er kannte die Menschen. Er kannte ihre Fehler, er kannte auch ihre Stärken. Und er hatte den perfekten Blick, wie er sich gegenüber immer zugestand.
Der war an diesem Tag besonders wichtig gewesen, als die beiden Neuen das Haus betreten hatten.
Männer, die er nie zuvor gesehen hatte und die einer Empfehlung gefolgt waren. Das passierte in der letzten Zeit öfter. Manchmal musste er auch Kunden wegschicken, aber die beiden hatten Glück gehabt.
Wer waren sie?
Ray hatte die Zeit über nachgedacht. Er hatte überlegt, wo er sie eventuell mal gesehen hatte, doch er war zu keinem Resultat gekommen. Sie waren ihm fremd, und genau das wollte er einfach nicht unterschreiben. Fremd schon, aber sie waren bestimmt nicht nur gekommen, um Doria tanzen zu sehen. Okay, sie hatten sie sehen wollen, aber es musste noch andere Gründe geben.
Darüber zerbrach er sich den Kopf.
Sie hatten ihm nichts getan. Es war ihm auch egal, dass ein Chinese den Club besuchte, obwohl dies auch eine Premiere war, aber sein Misstrauen war schon vorhanden. Es lag einfach an seinem Gefühl.
Offen hatte er nicht gegen sie auftreten wollen, aber er wollte sich darauf vorbereiten, falls etwas passierte. Allein fühlte er sich etwas hilflos.
Er würde Quint Bescheid geben.
Als er an ihn dachte, verzog sich sein Gesicht. Er ärgerte sich, dass Quint sich an diesem Tag zurückgezogen hatte. Das war sonst nicht der Fall. Schließlich hatte Quint seinen Job zu tun, der mit dem Rays übereinstimmte. Sie beide waren für die Sicherheit verantwortlich und keine anderen.
Ray konnte sich nicht vorstellen, dass Quint das Weite gesucht und seinen Arbeitsplatz verlassen hatte. Aber etwas anderes, war ihm in den Sinn gekommen. Quint gehörte zu den Menschen, die sich nicht immer unter Kontrolle hatten. Unkontrollierte Menschen waren ihm suspekt und konnten auch zu einer Gefahr werden.
Aus diesem Grunde hatte er Quint einige Male gewarnt und ihm vor allen Dingen geraten, die Finger von einer gewissen Doria zu lassen. Sie war für ihn tabu.
Quint hatte es zwar versprochen, aber jemand wie er hielt seine Versprechen nicht unbedingt ein, und genau davon wollte sich Ray überzeugen.
Doria hatte er nichts getan. Wäre es anders gewesen, hätte sie nicht auftreten können, aber das wollte er mal dahingestellt sein lassen. Keine Vorverurteilungen bitte, egal, was da auch lief.
Trotzdem wollte er Quint suchen.
Er machte sich auf den Weg, nachdem die neuen Gäste beschäftigt waren. Der Clubraum war leer, und wenn jemand kam, würde Ray auch nicht mehr öffnen. Erst am Abend sollten die nächsten Darbietungen folgen. Da war es dann auch voller, und Doria war dann sogar bereit, ihr Tanzrefugium zu verlassen und zu den Tischen im Bereich des Eingangs zu kommen.
Ray lief auf leisen Sohlen. Er huschte unter den Kandelaberlampen hinweg und durch die Lücken zwischen den Tischen. Sein Mund zeigte wie immer ein leichtes Lächeln, das die Augen nicht erreichte, denn sie waren sehr wachsam.
Das Haus war recht groß und besaß zudem eine entsprechende Tiefe. Er stoppte kurz vor einer schmalen Tür im dunkleren Hintergrund, die in der Regel verschlossen war. Kein Besucher sollte auf die Idee kommen, sich im Haus zu verirren.
Auch jetzt war die Tür abgeschlossen. Alles normal, alles wie immer. Die Unruhe blieb trotzdem bestehen. Ray merkte auch, dass sein Herz schneller schlug.
Er schloss auf und drückte die Tür nach außen.
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