1183 - Zwischen Licht und Finsternis
Angelegenheit war. Lediglich inoffiziell hatte er sich dazu durchgerungen, die Anfangsbuchstaben seiner Vornamen zu einem Kunstgebilde zusammenzufügen. Seitdem nannte er sich Adoll und wünschte, auch so angeredet zu werden.
Geholfen hatte ihm diese Maßnahme nicht mehr. Selbstvertrauen, das man in der Jugend nicht erwarb, ließ sich nachträglich nur noch schwer gewinnen. Jeder Erfolg, den er in seiner Raumfahrerlaufbahn noch verbuchte, und jede Anerkennung, die andere ihm zollten, vermittelten ihm regelmäßig den Verdacht, trotz allem jenem feinen Spott ausgesetzt zu sein, der ihn schon früher verfolgt hatte. Noch heute pflegte er jede Äußerung, die ihn betraf, auf die Waagschale zu legen und abzuschätzen, was damit wohl hintersinnig gemeint sein könnte.
Daß ein solches Trauma überwindbar war, wenn man nur wollte -davon mochte Adoll Crummenauer freilich nichts hören. Vielmehr bemühte er sich verbissen, es jedem recht zu machen und keinem den geringsten Anlaß zur Kritik zu bieten. Dieses offensichtliche Verhalten blieb seiner Umwelt natürlich nicht verborgen - was er wiederum ebenso deutlich merkte. Dennoch ließ er nicht davon ab und legte gerade in dem angestrebten Perfektionismus den Grundstein für immer neue Unsicherheiten.
Die Kollegen an Bord der IRON MAIDEN nannten ihn insgeheim einen Tölpel. Er wußte das und wurde dadurch nur noch verschlossener und unbeholfener. Nicht, daß er resignierte. Er hatte sich längst vorgenommen, bei Gelegenheit auf ein anderes Schiff zu wechseln und dort nach der alten Masche von neuem zu beginnen. Aber er gewöhnte sich daran, daß andere - wie er meinte -ihm nicht die gebührende Achtung zollten.
Um so erstaunter war er, als sich die Zentrale der IRON MAIDEN bei der Annäherung an das Pliyirt-System unversehens in einen Hort der Freundlichkeit verwandelte. Eine ausgesprochen friedfertige Stimmung machte sich breit, der sich auch Adoll nicht entziehen konnte. Er fühlte sich gelöst und gewann eine innere Gelassenheit, wie er sie zuvor nie für möglich gehalten hätte.
Er faßte sogar den Mut, das bevorzugte Objekt seiner Neugier nochmals aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Die Kommandantin störte sich nicht daran, als er hinter sie trat und die Anatomie der azyrkischen Raupe studierte. Goliath hockte still auf ihrer Schulter und reckte Adoll einen Teil seines gepunkteten Hinterleibes entgegen. Gyrdie redete unterdessen mit sanfter Stimme auf den erregten Reginald Bull ein.
Adoll hörte nur mit halbem Ohr hin. Das Gespräch drehte sich wohl um Sinn oder Unsinn einer Landung auf Zülüt. Es lag außerhalb seines Fachbereichs, deshalb kümmerte es ihn nicht. Die Raupe interessierte ihn weit brennender, und er neigte den Kopf, um endlich herauszufinden, ob die kurzen Beinchen, die unten aus dem Rumpf wuchsen, über Gelenke verfügten. Goliath schien zu merken, daß er von hinten beäugt wurde, denn er krümmte den Leib mehrere Male, um sich schließlich in einer fließenden Bewegung auf Gyrdies Schulter umzudrehen.
Adoll blickte in das runde, faltige Gesicht, das ihn breit und offen angrinste. Mit dem Maul vollführte die Raupe kreisende Bewegungen, die grotesk anmuteten, zugleich jedoch eine große Portion unbewußter Zufriedenheit ausdrückten. Zu Adolls Überraschung hob das Tier nicht einmal zu einem seiner gefürchteten Schreie an. Es begnügte sich mit behaglichem Brummen.
Für die Kommandantin war dieses Brummen Anlaß genug, ihr Gespräch mit Bully zu unterbrechen.
Mitten im Satz verstummte sie und streichelte ihr Maskottchen liebevoll. Als sie sich umdrehte, machte Goliath die Bewegung in entgegengesetzter Richtung mit, so daß er den Waffenmeister nicht aus den Augen ließ.
Normalerweise wäre Adoll zurückgewichen und hätte nervös auf Gyrdies nächsten Zornesausbruch gewartet. Diesmal jedoch verhalf ihm die friedliche Stimmung an Bord zu gelassener Ruhe. Die Konimandantin machte nicht die geringsten Anstalten, ihn abermals zurechtzuweisen. Sie blieb im Gegenteil höflich und zuvorkommend. „Ein nettes Kerlchen, nicht wahr?" schwärmte sie. „Ich habe ihn von einem Eingeborenen auf Azyrk geschenkt bekommen, sozusagen als Gegenleistung für meine Vermittlung bei gewissen... äh... Konflikten."
Es war das erste Mal, daß sie überhaupt darauf zu sprechen kam, wie sie in den Besitz des Tieres gelangt war. Bisher hatte sie dieses Thema aus unbekannten Gründen sorgsam gemieden. Adoll wußte es zu schätzen. Schlagartig stieg die
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