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1183 - Zwischen Licht und Finsternis

Titel: 1183 - Zwischen Licht und Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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längst überholen können."
    „Oder töten", ergänzte Yurn ruhig. „Hör auf!" schimpfte der Gataser. „Ich weiß nicht mehr, was gestern in mich gefahren ist. Die skrupelloseste aller Kreaturen muß mich befallen haben. Es tut mir leid."
    Yurn scharrte nachdenklich mit einem Fuß auf dem Fels. Er fühlte sich von tiefem Frieden erfüllt, und er war sicher, daß der andere ebenso empfand. Der Konflikt, der fast tödlich geendet hätte, existierte nicht mehr. Es gab keinen Grund zum Mißtrauen. „Ich bin nicht sonderlich nachtragend", meinte Yurn. „Wir sollten das vergessen und wieder Freundschaft schließen."
    „Unsere Auseinandersetzung war lächerlich", stimmte Cuurn-Kilyior-Toorit zu. „Jeder Kampf intelligenter Lebewesen ist ein Frevel wider die Natur."
    Yurn wurde von einem Gefühl der Wärme durchflutet. Der Gataser sprach wahre Worte. Es waren Erkenntnisse, die von gesellschaftlichen Zwängen und eingefahrenen Verhaltensmustern gewöhnlich verdeckt blieben und nun machtvoll an die Oberfläche drängten. Die ersten Sonnenstrahlen brachen über die östlichen Gipfel und vermischten sich mit dem blauen Licht zu einer geheimnisvoll gefärbten Dämmerung.
    Yurn machte eine umfassende Geste. „Dieses Leuchten - weißt du, was es bedeutet? Woher es stammt?"
    „Nein", entgegnete Cuurn ratlos. „Ein sonderbares Phänomen; ich glaube jedoch, daß es ungefährlich und unschädlich ist."
    „Das denke ich auch."
    Yurn blinzelte in die Sonne, die langsam höher stieg und mit ihrer enormen Kraft den Tag zum Leben erweckte. Schon bald hatte ihr helles Licht den bläulichen Schimmer völlig verdrängt. Der Frieden im Herzen des Hanen festigte sich. „Für dich ist es sehr wichtig, das Einest zu erreichen, nicht wahr?"
    Cuurn-Kilyior-Toorit wirkte verlegen. „Nun", meinte er zögernd, „du kennst ja meine Situation. Auf Gatas sind die Verhältnisse anders... freier vielleicht. Dieses jahrelange geduldige Warten ist nicht meine Art, und die Möglichkeiten, nach Hause zu fliegen, sind gering, das weißt du. Es bohrt gewissermaßen in mir. Nur deshalb..."
    Yurn unterbrach ihn mit einer Handbewegung, die Verständnis ausdrückte. „Ich erkenne deinen Zwiespalt. Ich biete dir an, meine Position zu übernehmen. Ich werde dich nicht daran hindern, wenn du an meiner Statt den Weg zum Einest fortsetzt."
    Der Gataser schwieg betreten. „Ich selbst gehe ins Tal zurück", fuhr Yurn fort. „Ich habe kein Interesse mehr, den Wettkampf weiter zu bestreiten."
    Cuurn-Kilyior-Toorit war noch immer sprachlos. Er schien daran zu zweifeln, ob der Hane sein selbstloses Angebot ernst meinte. Yurn trat zu ihm und klopfte ihm freundlich auf die Schulter. „Du mußt dich beeilen, sonst holst du die anderen nicht mehr ein. Ihr Vorsprung ist bereits recht groß."
    Damit wandte er sich ab und begann den Rückweg nach Chüllyvor. Im hinteren Blickfeld sah er, daß der Gataser ihm zuwinkte, bevor er seine Verblüffung ablegte und mit weit ausholenden Schritten den Marsch zum Einest fortsetzte.
    Yurn war zufrieden. Selten hatte er sich so ausgeglichen gefühlt. Der Streß der letzten Tage, die Konflikte am Arbeitsplatz, das rauhe Leben in der Stadt - alles war restlos von ihm abgefallen. Sein Leben schien einen neuen Sinn zu gewinnen. Der Abstieg ins Tal vollzog sich problemlos und unbeschwerlich. Yurn verspürte keinen Drang, sich mehr zuzumuten, als er körperlich verkraften konnte. Er hatte Zeit. Hin und wieder legte er eine längere Rast ein, während der er jeweils einen Konzentratwürfel aß, ausgiebig die unterschiedlichen Panoramen der wildromantischen Landschaft betrachtete und im übrigen die beschauliche Ruhe genoß, die ihn umfing.
    Frieden! dachte er. Auf geheimnisvolle Weise hatte ihm die vergangene Nacht tiefen Frieden gebracht!
    Aber nicht ihm allein: Zweifellos war auch Cuurn-Kilyior-Toorit davon betroffen - und das galt vermutlich für alle anderen Harten ebenso wie für den gesamten Planeten. Überall war Frieden!
    Yurn schritt fröhlich aus. Naturgemäß gestaltete sich der Rückweg weit weniger beschwerlich als der Aufstieg. Er war sicher, daß er Chüllyvor noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen konnte. Schon bald würde er flacheres Gelände betreten und den großartigen Ausblick auf die Stadt und den Raumhafen genießen.
    Mit einemmal jedoch beschlich ihn eine seltsame Beklemmung. Er hielt inne und blickte sich beunruhigt um. Aufmerksam lauschte er dem Säuseln des Windes, dem plötzlich eine unwiderstehliche

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