1189 - Hexen-Wahrheit
eines Menschen zu vergleichen war.
Sie kam.
Gunhilla rannte nach vorn. Für Jane sah es aus, als würde sie auf den Spiegel zurennen und dann in ihn hineinlaufen, um das Glas zu zerbrechen.
Die Szene war so echt, dass die Detektivin die Hand vor ihr Gesicht riss, weil sie sich vor den Splittern schützen wollte.
Dazu kam es nicht.
Kurz vor der Spiegelfläche strahlte plötzlich das grelle Licht auf. Es glich schon einer Explosion, und wenige Augenblicke später war die Gestalt verschwunden.
Eine riesige Hand schien sie weggezogen und irgendwohin geschleudert zu haben.
Jane, die um Atem rang, schaute wieder nach vorn und damit direkt auf die Spiegelfläche.
Gunhilla war verschwunden.
Dafür malte sich ihre Gestalt von Kopf bis Fuß ab!
***
Es dauerte schon eine Weile, bis auch Jane das Zittern überwunden hatte. Durch die Erlebnisse wusste sie jetzt Bescheid, was damals mit Gunhilla Blaisdell geschehen war. Für sie war die Person nicht gerichtet, sondern auf grauenvolle Art und Weise getötet worden. Schrecklicher konnte man nicht sterben. Sie wollte nicht über die Schmerzen nachdenken, die Gunhilla erlitten hatte. Aber damit war es nicht vorbei gewesen. Die andere Seite hatte von Gunhilla nicht alles töten können, ein Teil von ihr lebte noch. Zumindest ihr Geist, der die Verbindung zu Jane gesucht hatte.
Erst jetzt dachte sie wieder daran, weshalb sie das Bad überhaupt betreten hatte. Es war wichtig, die Morgendusche zu nehmen, um sich danach auf den Tagesablauf zu konzentrieren. Ihr war schon jetzt klar, dass sie es nicht konnte. Diese Gunhilla Blaisdell war in ihr Leben getreten, und sie würde auch so schnell nicht mehr verschwinden, davon ging Jane aus.
Der Kontakt war im Moment abgerissen. Jane war allerdings überzeugt davon, dass sich Gunhilla wieder melden würde, sobald sie die Zeit als reif ansah.
Wie eine Schlafwandlerin betrat Jane die Duschkabine. Das warme Wasser rauschte. Jane genoss es, so besprüht zu werden, und sie hatte das Gefühl, als sollte aller Ärger von ihr weggewischt werden.
Immer wieder erlebte sie den Tod der Gunhilla vor ihrem geistigen Auge. Es war kein richtiger Tod gewesen. Auch kein richtiges Verbrennen. Sie erinnerte sich noch genau an die Gestalt, die sich innerhalb der Flammen abgezeichnet hatte. Das war kein Körper gewesen, der normal verbrannt war. Mit ihm war etwas anderes passiert.
Jane hatte in ihrem Leben leider genug verbrannte Menschen gesehen. Keiner hatte so ausgesehen wie Gunhilla Blaisdell. Keine schwarze Haut, die völlig ausgetrocknet war und sich zusammengezogen hatte. Es hätte so sein müssen und war trotzdem nicht so.
Stattdessen diese helle Gestalt, die ausgesehen hatte, als wollte sie mit den Flammen tanzen.
Dann war alles vorbei gewesen…
Jane drehte das Wasser ab und verließ die Dusche. Sie fror plötzlich und war froh, sich in das Badetuch kuscheln zu können, mit dem sie ihren Körper abrieb. Sie genoss den leichten Duft, den der Stoff abströmte, rieb auch ihre Haare trocken und zog sich wenig später im Schlafzimmer an.
Gunhilla hatte sich noch immer nicht gemeldet. Jane wollte zwar nicht zugeben, dass sie darüber etwas enttäuscht war, aber sie wunderte sich schon, denn sie gehörte irgendwie schon zu ihrem Leben. Auch wenn dies lächerlich klang.
Der grüne Pullover, eine beigefarbene Hose. Nur nicht zu dick anziehen, denn draußen hatte sich die Novembersonne wieder einen starken Durchbruch verschafft. Sie stand tief, und ihr Licht spiegelte sich in den Fensterscheiben.
Jane akzeptierte Gunhilla. Sie hatte auch keine andere Wahl. Allerdings stellte sie sich die Frage, aus welchem Grund die Person erschienen war. Dass alles ohne Motiv passierte, daran glaubte sie nicht. Gunhilla musste einen Auftrag gehabt haben.
Da konnte sich Jane nur einen Grund vorstellen. Der hieß Rache. Rache an gewissen Menschen, die ihr möglicherweise etwas angetan hatten. Nein, die Vermutung konnte nicht stimmen. Sie war Unsinn, denn die Folterknechte hatten nicht überlebt. Sie waren schon längst gestorben. Das also konnte es nicht sein.
Dann dachte Jane darüber nach, ob es irgendwelche Nachkommen waren, an denen sich Gunhilla rächen wollte und dabei Janes Hilfe brauchte, weil sie sich in dieser Zeit auskannte.
Genau der Gedanke gefiel ihr am besten. Wenn es tatsächlich so sein würde, musste es zu weiteren Kontakten zwischen ihnen kommen, und dann würde sich die Frau auch bald zeigen.
Frau oder Hexe?
Mittlerweile bezweifelte Jane,
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